Brüssel. Sie sind die Ritter von der Taxe-Runde: Wie deutsche Europa-Abgeordnete parteiübergreifend gegen Finanztricks von Konzernen kämpfen.

Es ist eine ungewöhnliche Koalition, die sich da im Europäischen Parlament zusammengefunden hat. Der FDP-Mann Michael Theurer gehört dazu ebenso wie der Grüne Sven Giegold. Der SPD-Abgeordnete Peter Simon ficht an der Seite des CDU–Kollegen Burkhard Balz. Der Linke Fabio de Masi führt eine besonders scharfe Klinge, streitet aber für dieselbe Sache.

Es sind die Ritter von der Taxe-Runde, angetreten, um den Saustall auszumisten, der unter dem Skandalnamen LuxLeaks im Herbst 2014 ins Bewusstsein der Öffentlichkeit trat – Steuern und wie man sie nicht zahlt, wenn man ein Multi ist.

Taxe ist das Kürzel für den Sonderausschuss, der die Missstände untersucht: Wie konnte es dazu kommen, dass nicht nur in Luxemburg, sondern auch in mehreren anderen EU-Staaten, international operierende Großunternehmen vom Fiskus so gefällig behandelt wurden, dass ihre Steuerschuld auf ein Minimum zusammenschmolz?

Außerhalb des Ausschusses nur wenig Interesse an Aufklärung

Das Interesse an Aufklärung ist freilich jenseits des Taxe-Ausschusses verhalten. Namentlich die Führungsebene der beiden größten Fraktionen, der christdemokratischen EVP und der sozialdemokratischen S+D, ist darum bemüht, die gedeihliche Zusammenarbeit ihrer informellen Großen Koalition störungsfrei zu halten.

Das geschmeidige Miteinander beruht nicht zuletzt auf dem Kumpelverhältnis der beiden EU-Veteranen Jean-Claude Juncker und Martin Schulz. Juncker hat bislang den Verdacht nicht ausräumen können, als langjähriger Ministerpräsident und Finanzminister Luxemburgs den dubiosen Praktiken Vorschub geleistet zu haben. Schulz, Sozialdemokrat auf dem Präsidentenstuhl des Europaparlaments, hat kein Interesse, seinem alten Freund Scherereien zu machen. So standen, als das Mandat des Ausschusses Ende November auslief, die Zeichen auf Klappe zu. Dabei war die Arbeit, vor allem bei der Identifizierung der Verantwortlichen, längst nicht getan. Theurer, Verfasser des Abschlussberichts, Giegold und de Masi forderten vehement eine Erneuerung des Mandats.

Begrenzte Bereitschaft der Regierenden zu Transparenz

Die beiden großen Fraktionen wollten indes für eine zweite Taxe-Etappe den Auftrag ändern und das Kapitel Vergangenheitsbewältigung streichen. Doch das Vorhaben scheiterte am Widerstand der eigenen Leute im Ausschuss. Der Grüne Giegold lobt besonders den SPD-Kollegen Simon. „Der hat dafür gesorgt, dass das Mandat nicht mittels Verfahrenstricks beschnitten wurde.“ So ist der zweite Teil der Untersuchung wieder mit umfassendem Mandat gestartet, sowohl die Sünden der Vergangenheit zu beleuchten als auch mit Blick auf die Zukunft zu erhellen, wie das Übel abgestellt werden könnte. Juncker, der bei einer Anhörung im September die Abgeordneten mit unwirschen und herablassenden Tönen verärgerte, muss mit einer erneuten Vorladung rechnen.

Unterdessen stellt sich immer deutlicher heraus, wie begrenzt die Bereitschaft der Regierungen ist, für ein transparentes und faires System der Unternehmensbesteuerung zu sorgen, in dem nicht mehr der eine Staat dem anderen durch steuerliche Rabatte Investoren abspenstig macht. Zwar sollen nach einem Beschluss der Finanzminister die Mitgliedstaaten einander ab 2017 über die Vorbescheide (Tax Rulings) unterrichten. Das aber nur in anonymisierter Form. Die EU-Kommission hätte damit keine Handhabe, systematisch einzuschreiten.

Steuerdeals von Starbucks, Fiat, McDonalds, Amazon und Apple

Das kann sie nur, wenn sie von den anrüchigen Praktiken Kenntnis erlangt. Gegen Steuerdeals der Multis Starbucks, Fiat, McDonalds, Amazon und Apple geht die Brüsseler Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager rechtlich vor. Dabei steht nicht zur Debatte, ob die Tax Rulings an sich in Ordnung sind. Vestager argumentiert vielmehr mit den Spielregeln des Wettbewerbs: Abschläge seien eine unerlaubte Beihilfe durch den Staat. Der verzichte in diesen Fällen auf Steuern, die er von anderen einfordere. Doch diese Waffe kann nur zum Einsatz kommen, wenn die Abmachungen nach Brüssel gemeldet werden müssen, und das wollen die EU-Staaten nicht.

Das EU-Parlament hat jetzt den Duck erhöht. Es hat die Kommission förmlich aufgefordert, binnen eines halben Jahres ein ganzes Paket weitergehender Gesetzesvorschläge gegen Steuerdumping vorzulegen. Kernpunkte wären eine länderbezogene Berichterstattung über die Besteuerung von Großunternehmen (Country-by-Country-Reporting), eine Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage und harte Sanktionen gegen Steueroasen.

Viele Dokumente bekommt der Ausschuss nur geschwärzt

Fragt sich nur, wie weit die Juncker-Kommission sich traut, den Mitgliedstaaten auf die Zehen zu treten. Die mögen in Sachen Körperschaftssteuern von der überkommenen Geheimniskrämerei nicht lassen. Dabei „entgehen ihnen durch Gewinnverlagerungen international tätiger Unternehmen und steuerliche Sonderregelungen jährlich bis zu 190 Milliarden Euro“, sagt SPD-Experte Simon und fordert das Ende der „fragwürdigen Hinhaltetaktiken“. Ob der nötige Druck ausgeübt werden kann, hängt nämlich davon ab, dass der Taxe-Ausschuss umfassenden Zugang zu den Unterlagen der Gruppe Verhaltenskodex bekommt. In diesem 1998 eingerichteten Gremium sollen die EU-Regierungen eigentlich beraten, wie schädliches Steuergebaren unterbunden werden kann.

Doch mehrere EU-Staaten, die Beneluxländer an der Spitze, standen beharrlich auf der Bremse. Die weitaus meisten der 5500 Dokumente der Gruppe sind dem Ausschuss bislang nicht oder nur in stark geschwärzter Form zur Verfügung gestellt worden. „Erst wenn wir die Dokumente bekommen, können wir auch Ross und Reiter nennen“, meint Giegold. Eine weitere Forderung des Parlaments zielt auf den Schutz von Whistleblowern, die Hinweise auf Missbrauch geben. Im Falle von LuxLeaks kamen Informationen von dem Franzosen Antoine Deltour. Er sieht in Luxemburg einem Prozess entgegen, bei dem ihm bis zu fünf Jahre Haft drohen.