Berlin . Es geht nicht mehr ohne Menschen mit Migrationshintergrund im Gesundheitswesen – aber ohne gute Sprachkenntnisse geht es auch nicht.

Der Chirurg aus Syrien und der Neurologe aus Rumänien, die polnische Krankenschwester und der türkische Pfleger – sie gehören nicht nur längst zum Alltag in Kliniken, Praxen und Heimen, sie werden auch immer wichtiger: In Deutschland arbeiten mittlerweile mehr als 300.000 Ärzte und Pflegekräfte mit ausländischen Wurzeln, wie eine neue Studie im Auftrag des Gesundheitsministeriums zeigt. Allein der Anteil syrischer Ärzte hat sich zwischen 1991 und 2014 auf mehr als 1650 Ärzte verfünffacht. Das größte Problem der Zuwanderer ist laut Studie die Sprache. „Nierenkatarrh“ oder „Schenkelhalsfraktur“ sind schon hohe Hürden, ein Übersetzungsfehler am Krankenbett aber kann über Leben und Tod entscheiden.

Anteil ausländischer Ärzte steigt ständig

Die Prognos-Studie, die unserer Zeitung exklusiv vorliegt, zeigt, dass die Zahl der ausländischen Ärztinnen und Ärzte in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist: Jeder zwölfte Arzt hat heute ausländische Wurzeln (8,2 Prozent) – seit 1991 hat sich ihre Zahl vervierfacht. Bei Pflegern und Krankenschwestern, technischen Helfern und Physiotherapeuten, also in den nichtärztlichen Gesundheitsberufen, hat jeder Siebte ausländische Wurzeln (15 Prozent), in der Altenpflege sogar jeder Vierte (23 Prozent). Insgesamt arbeiteten 2014 im deutschen Gesundheitssystem rund 630.000 Menschen, die einen ausländischen Pass haben oder hatten.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe will die Zuwanderung weiter fördern: „Wir werden mehr Fachkräfte für unser Gesundheitswesen brauchen. Da ist Zuwanderung auch eine Chance“, sagte der CDU-Politiker unserer Zeitung. Das setze aber voraus, „dass wir Integration erfolgreich gestalten“. Wichtig seien berufsspezifische Sprachkurse. „Und die Überprüfung ausländischer Abschlüsse muss zügig, aber ohne Abstriche bei der erforderlichen Qualifikation erfolgen.“

Berlin verlangt gute Deutschkenntnisse

Schon heute spielen laut Hermann Gröhe Zuwanderer eine bedeutende Rolle für das deutsche Gesundheitswesen: Die Zahl der 300.000 Fachkräfte mit Migrationshintergrund setzt sich aus 40.000 Ärzten, 140.000 Altenpflegern und 127.000 Krankenpflegern zusammen. Gerade ausländische Patienten haben Vorteile: „Muttersprachler können auch helfen, Sprachbarrieren zu überwinden“, so Gröhe.

Ohne gutes Deutsch aber geht es nicht. Deutsche Redewendungen etwa können zu schwerwiegenden Missverständnissen werden, warnen die Studienautoren: Macht ein Patient seinem Ärger Luft und schimpft, ihm komme „die Galle hoch“, könnte sein Arzt das wörtlich verstehen und auf Übelkeit schließen oder ihn sogar wegen Verdachts auf Darmverschluss untersuchen. In Berlin müssen ausländische Ärzte deswegen seit dem 1. Juli nicht nur gute Deutschkenntnisse nachweisen, sondern auch einen dreiteiligen Praxistest bestehen.

Gespräch wird simuliert

Ein simuliertes Gespräch zwischen Arzt und Patienten soll zeigen, dass die Verständigung am Krankenbett klappt, ein Fachgespräch mit ärztlichen Kollegen soll das fachsprachliche Wissen überprüfen – und schließlich muss der Prüfling einen Arztbrief schreiben, um zu zeigen, dass er auch die Gepflogenheiten des deutschen Gesundheitssystems kennt.

Berlin ist damit spät dran: Bereits ein Jahr zuvor, im Sommer 2014, hatten sich die Gesundheitsminister der Länder darauf geeinigt, dass die dreiteilige Praxisprüfung für ausländische Ärzte neben allgemeinen Deutschkenntnissen zum bundesweiten Standard werden soll. Doch viele Länder zögern. „Bei der ärztlichen Fachsprachenprüfung gibt es noch immer einen Flickenteppich“, sagte Rudolf Henke, Vorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, dieser Zeitung. „In zu vielen Ländern reicht weiterhin ein allgemeinsprachliches Zertifikat für den Nachweis von Deutschkenntnissen aus.“ Die Umsetzung der Beschlüsse der Gesundheitsminister von 2014 dauere „viel zu lange“.

Anforderungen nicht einheitlich

Während etwa in NRW Fachsprachenprüfungen seit 2006 verpflichtend sind, reichen in Bayern, Brandenburg, Hamburg oder Bremen nach Angaben des Marburger Bunds Kenntnisse des mittleren Sprachlevels B2 aus. NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens beklagt deswegen einen „Prüfungstourismus“: „Es darf nicht sein, dass sich ausländische Ärztinnen und Ärzte mit schwachen Deutschkenntnissen gezielt Bundesländer mit niedrigen Anforderungen an das Sprachniveau aussuchen können, um dort eine bundesweit gültige Approbation zu erhalten.“

Bei Pflegern und Krankenschwestern sieht die Lage nicht besser aus – im Gegenteil. Hier gilt bislang ebenfalls nur das Sprachlevel B2: Wegen des Mangels an Pflegekräften akzeptieren viele Länder aber auch Deutschkenntnisse auf niedrigerem Niveau.

Der wachsende Fachkräftemangel wird die Einigung auf Mindeststandards indes immer schwerer machen: Laut Prognos-Studie wird bereits im Jahr 2040 mehr als jede vierte Stelle bei den gesundheitlichen Fachberufen aus Mangel an Bewerbern nicht besetzt werden können.