München. Neonazi Ralf Wohlleben hat am Mittwoch im NSU-Prozess ausgesagt. Er bestreitet, die Mordwaffe für die Terror-Serie besorgt zu haben.

Der im NSU-Prozess wegen Beihilfe zum neunfachen Mord angeklagte Ralf Wohlleben hat bestritten, die Mordwaffe für den „Nationalsozialistischen Untergrund“ beschafft zu haben. Bei seiner Aussage vor dem Oberlandesgericht München am Mittwoch räumte Wohlleben allerdings ein, indirekt an der Beschaffung einer Waffe für das untergetauchte Trio indirekt beteiligt gewesen zu sein. Gleichzeitig wies er den Vorwurf der Bundesanwaltschaft zurück, er habe damit gerechnet, dass die Pistole für Straftaten verwendet würde.

Wohlleben brach damit erstmals seit seiner Verhaftung vor vier Jahren sein Schweigen. „Ich bin nicht schuldig im Sinne der Anklage“, sagte er am 251. Verhandlungstag. Vielmehr sei er „entsetzt“ über die Mordtaten der mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, von denen er erst nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 erfahren habe. Er könne sie sich nicht erklären.

Wohlleben wird seit Mai 2013 neben Beate Zschäpe und drei weiteren Mitangeklagten der Prozess gemacht. Er soll laut Anklage die Ceska-Pistole beschafft haben, mit dem neun Menschen türkischer und griechischer Abstammung erschossen wurden.

Wohlleben will Mitangeklagtem Tipp für Waffenkauf gegeben haben

Wohlleben erklärte, dass ihn Uwe Böhnhardt im Jahr 1999 bei einem Treffen in Chemnitz aufgefordert hätte, eine Pistole und Munition zu beschaffen. Er habe dies abgelehnt. Später sei Carsten S. – der neben ihm in München wegen Beihilfe zu neunfachen Mord angeklagt ist – damit von Böhnhardt und Mundlos beauftragt worden.

Der Angeklagte gab an, dass er Carsten S. den Tipp gegeben habe, einen Jenaer Szeneladen wegen der Waffe aufzusuchen. Allerdings sei der Tipp ursprünglich von Böhnhardt oder Mundlos gekommen; er habe ihn nur weitergeleitet. Wohlleben schilderte, dass er „erschrocken“ und „verärgert“ gewesen sei, als S. mit der Waffe bei ihm in seiner Wohnung auftauchte. Er räumte ein, die Waffe gesehen zu haben: „Ich weiß noch genau, dass ich überrascht war, dass ein Schalldämpfer dabei war. Ich habe dann aus Neugier den Schalldämpfer aufgeschraubt.“

Wohlleben wies jedoch die Aussage von Carsten S. zurück, er habe 2500 D-Mark für die Waffe besorgt. Es habe S. auch nicht angewiesen, die Waffe nach Chemnitz zu Böhnhardt und Mundlos zu schaffen. Mehrfach bezichtigte er seine Mitangeklagten Carsten S. und Holger G., die ihn zuvor schwer belastet hatten, der Lüge.

Wohlleben leugnet, „Zentralfigur“ bei NSU-Unterstützern gewesen zu sein

Der Angeklagte wies zudem den Vorwurf der Anklage zurück, wonach er eine „steuernde Zentralfigur“ bei der Unterstützung des NSU-Trios gewesen sei. Er habe nur „einen gewissen Beitrag“ zur Flucht geleistet, sagte er. An dieser Tatsache änderten auch seine insgesamt drei Treffen mit den Untergetauchten in Chemnitz und Zwickau nichts.

Wohlleben sagte, schon vor dem Untertauchen des Trios habe ihm das Verhalten von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nie Anlass zu der Vermutung gegeben, dass sie später „schwere Straftaten“ begehen könnten – „schon gar nicht gegen Ausländer, weil die bei uns nie Thema waren“. Bei den Bombenattrappen in den 1990er Jahren in Jena habe es sich aus seiner Sicht nur um „Provokationen“ gehandelt, bei denen niemand verletzt werden sollte. Bei einem Besuch in der Garage, in der die Polizei später TNT und mehrere Rohrbomben fand, habe er nichts dergleichen gesehen.

Angeklagter berichtet von seiner schweren Kindheit

Wohlleben schilderte in seiner mehr als eineinhalbstündigen Erklärung als erstes seine schwere Kindheit mit „strengen Eltern“ und die Erfahrungen der Arbeitslosigkeit nach der Wende. Er habe durch Freunde in die rechte Szene gefunden. Seine politischen Aktivitäten hätten aber erst Mitte der 1990er Jahre begonnen. Mehrfach betonte er den Einfluss des Verfassungsschutz-Spitzels Tino Brandt.

Wohlleben betonte mehrfach, dass er nie Gewalt befürwortet habe. Auch hätten sich seine politischen Intentionen nie gegen Ausländer gerichtet. Stattdessen beklagte er Repressionen durch Polizei, Politik und Medien. So ließ er Fotos von Autos, die angeblich von Linksautonomen angezündet wurden, an die Wände des Gerichtssaal projizieren.

Wie Wohllebens Verteidigerin Nicole Schneiders am Mittwoch vor Gericht ausführte, wollte ihr Mandant „einige Dinge klarstellen, um den dreisten Lügen einiger Zeugen und zweier Mitangeklagter über seine Person seine Sicht der Geschehnisse entgegen zu stellen“. Nach der Erklärung werde sich Wohlleben allen Fragen selbst stellen.

Schneiders schränkte allerdings ein, dass die Verteidigung bei Fragen, „die nicht zur Sache“ gehörten, sondern „lediglich der Befriedigung von Szenevoyeurismus“ dienten, von ihrem Beanstandungsrecht Gebrauch machen würde.

Die Erklärung der Rechtsanwältin entsprach fast vollständig dem Text, den Wohllebens Verteidigung vor einigen Tagen verbreitet hatte. Darin hieß es: „Herr Wohlleben ist seinen Idealen und politischen Überzeugungen treu geblieben und wird dies auch in Zukunft bleiben. Seine Aussage ändert hieran nichts.“