Brüssel. Die EU will wohl mit einer schnellen Eingreiftruppe die Grenzen sichern. Auch ohne Zustimmung eines Landes soll sie eingesetzt werden.

Die EU-Kommission will offensichtlich mit drastischen Maßnahmen einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen erzwingen. Nach Informationen der belgischen Tageszeitung „Le Soir“ wird die Brüsseler Behörde am kommenden Dienstag die Aufstellung einer bis zu 2000 Grenzschützer umfassenden EU-Reserveeinheit vorschlagen. Sie soll bei deutlichem Versagen der eigentlich zuständigen nationalen Behörden sogar ohne Zustimmung der jeweiligen Staaten eingesetzt werden können. Dies wäre ein weitreichender Eingriff in die nationalen Hoheitsrechte des betroffenen Landes. Eine entsprechende Absicht hatte Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, erstmals gegenüber unserer Redaktion öffentlich gemacht.

Dem Bericht zufolge soll künftig ein europäischer Grenzschutz-Einsatz folgendermaßen ablaufen: Wenn ein Staat offensichtliche Schwächen beim Schutz seiner Grenzen aufweist, schicken sowohl Frontex als auch die betreffende Regierung Experten vor Ort. Frontex erstattet der EU-Kommission Bericht. Sollte Brüssel die Lücken beim Grenzschutz bestätigen, wird das entsprechende Land aufgefordert, schnell Abhilfe zu schaffen. Geschieht dies nicht, schlägt die EU-Kommission den 28 Staats- und Regierungschefs den Einsatz der Grenzschutz-Agentur vor. Der betreffende Staat kann diesen Schritt nur umgehen, wenn er eine qualifizierte Mehrheit gegen diese Maßnahme zustande bringt. Erfahrungsgemäß ist dies sehr schwierig.

Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Unsere Außengrenzen sind gemeinsame Grenzen. Und wir waren nicht in der Lage, sie im Notfall zu schützen, das zeigt das Beispiel Griechenland.“ Die EU-Kommission bestätigte, dass sie am Dienstag konkrete Vorschläge zur Stärkung des EU-Grenzschutzes vorlegen wird. Details wollte Chefsprecher Margaritis Schinas am Freitag allerdings nicht nennen. Er verwies darauf, dass die Pläne noch in der Runde der EU-Kommissare beschlossen werden müssen.

EU-Grenzschutzagentur Frontex soll gestärkt werden

Angesichts zahlreicher Flüchtlinge, die unkontrolliert über Länder wie Griechenland nach Westeuropa einreisen, hatten sich zuletzt die Innenminister Deutschlands und Frankreichs für eine deutliche Stärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex ausgesprochen. In einem Brief an die EU-Kommission machten sie klar, dass sie weitreichende Initiativrechte für Frontex unterstützen würden. Konkret nannten sie auch Einsätze von schnellen Eingreifteams, die in Ausnahmefällen ohne Bitte um Unterstützung von Mitgliedstaaten eingesetzt werden könnten.

Frontex kümmert sich bisher nur um die „operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen“ der EU, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ weiter. Die Agentur koordiniere also, könne aber von sich aus nicht eingreifen und sei auf Material, Personal und den guten Willen der Mitgliedstaaten angewiesen. Nach dem Willen der Kommission soll Frontex zwar keine eigene Truppe erhalten, jedoch auf ein stehendes Korps von „mindestens 1500“ Grenzschützern zurückgreifen können, die die Mitgliedstaaten bereitstellen müssten.

Frontex soll auch bei Abschiebungen eingesetzt werden

Gerät die Lage an einer Grenze außer Kontrolle, soll ein neues Analysezentrum bei Frontex das Risiko bewerten, wie es heißt. Anschließend würden dem betroffenen Staat Empfehlungen gemacht. Setzt er sie nicht um, könnte die Kommission dem Ministerrat vorschlagen, innerhalb von zwei bis drei Tagen eine schnelle Eingreifgruppe zu entsenden, so die Zeitung.

Eine stärkere Rolle soll Frontex auch bei Abschiebungen spielen. Bei Problemen in Mitgliedstaaten soll Frontex Eingreifteams entsenden – auf Wunsch der Staaten, aber auch auf eigene Initiative hin. Abzuschiebende Personen sollen mit einem einheitlichen Identifizierungsdokument ausgestattet werden.

„Es kommen immer noch viel zu viele Leute ohne Registrierung in die EU“, sagte Timmermans. „Wenn das ein Staat allein nicht schafft, müssen wir ihm helfen.“ Griechenland registriert laut EU-Kommission nur ein Viertel der dort ankommenden Flüchtlinge. Italien erfasse etwa die Hälfte aller einreisenden Migranten. (dpa)