Berlin. Lee Kang versorgte den jungen Diktator Kim Jong Un, als er noch zur Schule ging. Dann floh er mit seiner Frau überstürzt aus Nordkorea.

Lee Kang ist für alle, die Nordkorea verstehen wollen, eine spannende Person. Als einer von wenigen Staatsbürgern des abgeschotteten Landes bereiste er die Welt – und kennt die Herrschaftsverhältnisse dennoch aus der Innenperspektive. Der Grund: Lee Kang ist der Schwager des 2011 verstorbenen Diktators Kim Jong Il und der angeheiratete Onkel des heutigen Machthabers Kim Jong Un.

Zu Kim Jong Un hatten Lee und seine Frau, die eine jüngere Schwester von dessen Mutter ist, dem Vernehmen nach ein besonderes Verhältnis. Als der heutige Staatschef in den 90er-Jahren im schweizerischen Bern die Schule besuchte, kümmerten sich die beiden um den Spross. Doch 1998 setzten sich Lee und seine Frau plötzlich in die USA ab. Sie beantragten Asyl, zu den Gründen für ihre Flucht schwiegen sie.

Angst vor den Folgen des Machtwechsels

Jetzt hat sich Lee in einem Interview mit der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap erstmals zu den Hintergründen der Flucht geäußert. Demnach fürchteten er und seine Frau, nach dem Abtritt von Kim Jong Il unter die Räder zu kommen. Unbegründet war die Sorge der Lees nicht: Im Zuge des Machtwechsels ließ Kim Jong Un 2013 tatsächlich einen seiner Onkel hinrichten, wohl um einen Generationswechsel in der Führungsebene durchzusetzen und seine Position zu festigen.

Eine weitere Motivation für die Flucht war Lee zufolge die Härte des Systems. „Ich habe die Grausamkeit der Macht in den 20 Jahren an der Seite von Nordkoreas ehemaligem Staatschef zur Genüge kennengelernt“, sagte Lee. Die Entscheidung sei allerdings auch deswegen für die USA gefallen, weil eine krebskranke Schwester seiner Frau hier besser versorgt werden konnte.

Es gibt auch eine andere Version

Ob diese Erklärung der Wahrheit entspricht, lässt sich nicht überprüfen. Dass Lang sich gerade jetzt zu Wort meldet, dürfte aber kein Zufall sein: In Südkorea behaupten derzeit drei Flüchtlinge aus dem Norden, dass Lee und seine Frau im großen Stil Gelder von Kim Jong Il veruntreut haben und deswegen fliehen mussten. Demnach verprassten die Lees das Geld vor allem beim Glücksspiel und für Schönheitsoperationen.

Gegen die Anschuldigungen geht das Ehepaar juristisch vor. Lee und seine Frau beteuern, in den USA einen einfachen Lebensstil zu haben: Ihren Unterhalt bestreiten sie nach eigenem Bekunden mit einem Waschsalon. (sah)