Berlin. Der Bundestag entscheidet am Freitag über den Bundeswehreinsatz gegen den IS. Die Zustimmung gilt als sicher – trotz offener Fragen.

Militärisch riskant, politisch umstritten, rechtlich fragwürdig – es ist einer der heikelsten Auslandseinsätze in der Geschichte der Bundeswehr: Bis zu 1200 deutsche Soldaten sollen demnächst in den Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in Syrien ziehen.

Der Bundestag stimmt am Freitag über die Mission ab. Eine große Mehrheit für den Einsatz zeichnet sich ab. Die Große Koalition wird fast geschlossen dafür votieren, die Grünen sind gespalten, die Linke klar dagegen. Wie sieht der Einsatz aus? Welche sind die Argumente der Befürworter und der Gegner? Hier alle wichtigen Aspekte:

• Aufgaben der Bundeswehr-Einheiten: Aufklärung mit bis zu sechs „Tornado“-Flugzeugen und Satelliten; Luftbetankung der Kampfjets anderer Staaten, die am Einsatz beteiligt sind, mit einem Tankflugzeug des Typs A310; Schutz eines französischen Flugzeugträgers mit einer Bundeswehr-Fregatte.

• Soldaten: Maximal 1200. Direkt im Krisengebiet werden aber wohl nur rund 450 Soldaten für den Betrieb der „Tornados“ und der Tankflugzeuge eingesetzt. Sie werden vermutlich in der Türkei stationiert. Dazu kommen weitere rund 250 Mann auf der Fregatte, die den Flugzeugträger „Charles des Gaulle“ im Mittelmeer begleitet, und Personal für die militärischen Stäbe.

• Einsatzgebiet: Das Operationsgebiet des IS in Syrien und im Irak. Hinzu kommen das östliche Mittelmeer, das Rote Meer, der Persische Golf sowie „angrenzende Seegebiete“.

• Wer unterstützt wird: Frankreich, der Irak und die gesamte Allianz gegen den IS, der mehr als 60 Staaten angehören. Eine von den USA angeführte Koalition fliegt seit mehr als einem Jahr Luftangriffe gegen die IS-Milizen. Auch Russland bombardiert Stellungen der Terroristen in Syrien. Das Parlament in London segnete in der Nacht zu Donnerstag Luftschläge der britischen Luftwaffe gegen den IS im Irak auf Syrien ab. Kurz danach flog die Royal Air Force die ersten Angriffe.

• Dauer des Einsatzes: Zunächst ein Jahr bis zum 31. Dezember 2016. Wenn die Bundesregierung verlängern will, muss der Bundestag erneut zustimmen. „Was die Zeitdauer des Mandates angeht, so wird sie sehr stark davon abhängen, wie erfolgreich der politische, der entscheidende Prozess ist“, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Mittwoch.

• Kosten: Für das erste Jahr kalkuliert die Regierung 134 Millionen Euro ein. Das ist deutlich weniger als etwa in der gefährlichsten Phase des Afghanistan-Einsatzes mit mehr als einer Milliarde Euro.

• Das sagen die Befürworter des Einsatzes

Die Anschläge der IS-Terroristen in Paris haben den Westen alarmiert. Frankreichs Präsident François Hollande sieht sein Land „im Krieg“ und hat die EU-Partner um Beistand gebeten. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte ihm „jedwede Unterstützung“ zu. „Es ist ein sehr bewusster aktiver Schritt, den wir tun“, erklärte die Verteidigungsministerin. Gerade die „Tornado“-Aufklärer über Syrien seien wichtig, denn: „Es ist nicht nur die Frage, den IS zu bekämpfen, sondern es ist vor allem auch Aufgabe, die Bevölkerung zu schützen und diejenigen, die gegen den IS kämpfen, am Boden auch zu schützen.“

Es geht den Befürwortern um die „Rückeroberung“ der vom IS eroberten Gebiete im Irak und in Syrien. Letztlich ist es das Ziel, die Fähigkeit des IS zu zerstören, weltweit Terror aus dieser Region zu steuern. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, der IS stelle „eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ dar.

• Das sagen die Gegner des Einsatzes

Die Linkspartei etwa lehnt den Einsatz rundweg ab. Damit werde die Propaganda des IS unterstützt, es gehe um einen Kampf des Westens gegen den Islam. Viele der Gegner befürchten, dass Deutschland durch die Teilnahme am Anti-IS-Einsatz noch mehr zum potenziellen Ziel eines Terroranschlags wird. Die Grünen vermissen zudem eine Gesamtstrategie des Westens und halten das bisherige Vorgehen gegen den IS für „planlos“. Man könne die Terroristen zwar militärisch bekämpfen, aber „faktisch nur politisch und ökonomisch besiegen“.

Ein Argument gegen den Bundeswehreinsatz lautet auch, es sei gerade die Strategie des IS, den Westen in einen Krieg hineinzuziehen, der letztlich auf die Entsendung von Bodentruppen hinauslaufe. Die Gegner verweisen auf die Militäreinsätze im Irak gegen Al-Kaida und in Afghanistan gegen die Taliban, die aus ihrer Sicht nicht zum gewünschten Erfolg geführt haben. In beiden Ländern sind Terroranschläge an der Tagesordnung.

• Streitpunkt Rechtsgrundlage

Die Bundesregierung sieht das Mandat der Bundeswehr abgesichert: „Völkerrechtliche Grundlage für die Entsendung ist die Unterstützung Frankreichs, Iraks und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen IS auf der Grundlage des in Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen garantierten Rechts auf kollektive Selbstverteidigung.“ Weitere Grundlagen seien „die Erfüllung der Beistandspflicht“ nach dem EU-Vertrag sowie die „Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ nach Artikel 24 des Grundgesetzes. Ministerin von der Leyen sieht darin „eine sichere völkerrechtliche Grundlage“.

Kritiker sehen dies ganz anders. Tatsächlich gibt es kein Mandat der Vereinten Nationen für eine friedenserzwingende Maßnahme in Syrien nach der UN-Charta. Auch in der jüngsten UN-Resolution findet sich kein Hinweis darauf. Damit könnte der entscheidende rechtliche Baustein des Einsatzes fehlen. „Eine UN-Resolution muss da sein, um diesen Einsatz auf fremden Territorium zu legitimieren“, sagt nicht nur Grünen-Chefin Simone Peter. Die Linkspartei prüft bereits eine Verfassungsklage gegen den Bundestagsbeschluss. Auch Juristen sind unsicher. So spricht etwa der Bochumer Völkerrechtler Hans-Joachim Heintze von einer „rechtlichen Grauzone“. (mit dpa)