Athen. Kritiker werfen Griechenland vor, nicht genügend gegen Steuerhinterziehung vorzugehen. Das soll sich nun mithilfe einer CD ändern.

Großeinsatz gegen mutmaßliche Steuerflüchtlinge in Athen: Die Staatsanwaltschaft, die Steuerfahndung und das griechische Finanzministerium haben diese Woche eine Sonderkommission gebildet.

Sie soll eine Liste mit 10.588 Privatpersonen und Firmen durchforsten, die in den Jahren 2006 und 2008 Konten bei der Schweizer Großbank UBS unterhielten – und dort womöglich Schwarzgeld bunkerten. In Griechenland spricht man von der „Borjans-Liste“ – eine Anspielung auf den nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans, der die Daten den Griechen vergangene Woche übergab. NRW hatte die Kontodaten 2012 einem Informanten abgekauft.

Land verliert durch Steuerhinterziehung jährlich bis zu 20 Milliarden Euro

Die griechischen Fahnder müssen nun zu klären versuchen, woher die Gelder auf den Schweizer Konten ihrer Landsleute stammten und ob sie versteuert waren. Es geht um Guthaben von bis zu 55 Millionen Euro im Einzelfall. Unter dem Strich summieren sich die Gelder auf 3,9 Milliarden Euro. Die grassierende Steuerhinterziehung und die Kapitalflucht gelten als wesentliche Ursachen der griechischen Schuldenkrise. Jährlich verliert das Land nach Angaben von Vize-Finanzminister Tryfon Alexiadis durch Steuerhinterziehung und Schmuggel 15 bis 20 Milliarden Euro. Das wäre rund ein Drittel der tatsächlichen Steuereinnahmen.

Doch die Arbeit der Steuerfahnder ist mühsam, auch weil es an qualifiziertem Personal fehlt. Aktuell laufen 38.000 Ermittlungen gegen rund 1,3 Millionen verdächtige Firmen und Privatleute. Die Borjans-Liste ist nicht die einzige Sammlung mit den Daten mutmaßlicher Steuersünder. Schon im Oktober 2010 erhielt der damalige griechische Finanzminister Giorgos Papakonstantinou die Lagarde-Liste – so genannt nach der seinerzeitigen französischen Amtskollegin Christine Lagarde. Sie übergab dem Griechen die CD mit den Datensätzen von 2062 griechischen Privatpersonen und Firmen, die Konten bei der Genfer Niederlassung der Großbank HSBC unterhielten. Französische Steuerfahnder hatten die Daten dem HSBC-Mitarbeiter Hervé Falciani abgekauft, der deswegen jetzt von einem Schweizer Gericht in Abwesenheit zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Verdächtige hatten Verbindungen zu griechischen Politikern

Die griechische Seite zeigte allerdings anfangs keinen großen Eifer bei der Aufarbeitung der Liste. Die Datensammlung verschwand für lange Zeit im Finanzministerium. Als sie in einer Kopie wieder auftauchte, fehlten drei Namen auf der Liste – es handelte sich um Angehörige von Finanzminister Papakonstantinou. Der Politiker wurde im März wegen Urkundenfälschung zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Von den 2062 Kontoinhabern der Lagarde-Liste wurden bisher insgesamt erst 136 abschließend geprüft. Der Ertrag für den Fiskus: gerade mal 80 Millionen Euro.

Den Griechen liegen zwei weitere Listen mit Kontoinhabern in Luxemburg und Liechtenstein vor. Auch hier haben die Ermittlungen bisher aber wenig ergeben. Eine weitere Liste enthält die Namen von 306 Griechen, die während der Krise größeren Immobilienbesitz in Großbritannien erwarben. Gegen 32 von ihnen wird ermittelt, um festzustellen, ob die Käufe mit Schwarzgeld getätigt wurden. Außerdem beschäftigen sich die griechischen Steuerfahnder mit den Datensätzen von 54.246 einheimischen Bankkunden, die in den Krisenjahren 2009 bis 2012 Beträge von mehr als 100.000 Euro ins Ausland überwiesen haben. Unter dem Strich geht es um Überweisungen von 22,2 Milliarden Euro. Bis zum Mai dieses Jahres – neuere Angaben gibt es noch nicht – wurden 588 Fälle untersucht, weitere 1500 warten noch auf Prüfung.