Berlin. Der Pariser Klimagipfel wird viel Arbeit, sagt die Umweltministerin. Aber sie ist zuversichtlich – auch was den Kohleausstieg betrifft.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) reist mit großem Optimismus zum Klimagipfel in die französische Hauptstadt. Ein Gespräch im Zug nach Paris über ihre Hoffnungen sowie ihren jüngsten Vorstoß zum Ausstieg aus der Braunkohle und die wenig begeisterten Reaktionen darauf.

Frau Ministerin, wie zuversichtlich fahren Sie zum Klimagipfel nach Paris?

Barbara Hendricks: Ich weiß, dass in den kommenden zwei Wochen noch viel Arbeit vor den Delegierten liegt, ehe die noch strittigen Punkte eines weltweit verbindlichen Klimaschutzabkommens geklärt sind. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende zu einer Einigung kommen. Zu den Knackpunkten der Konferenz zählen aus meiner Sicht die Finanzzusagen an arme Länder, die von den Folgen der Erderwärmung betroffen sind. Paris könnte den Aufbruch in das Zeitalter einer kohlenstofffreien Wirtschaft markieren.

Die G7-Staaten haben sich in Elmau zu einem weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien bis zum Ende des Jahrhunderts bekannt. Indien oder EU-Mitglied Polen, die stark auf Kohle setzen, sehen das problematisch. Wann schafft Deutschland den Ausstieg aus der Kohle?

Hendricks: Die Bundeskanzlerin hat das Ziel der Dekarbonisierung in die Beschlüsse des G7-Treffens von Elmau hineinverhandelt. Für uns in den Industrieländern bedeutet das, dass wir unsere Energieversorgung etwa bis zur Mitte des Jahrhunderts so umbauen müssen, dass wir keine Kohle mehr verstromen dürfen. In der Stahlproduktion oder in der Landwirtschaft wird es weiterhin unvermeidbare CO2-Emissionen geben. Aber in der Energieerzeugung und im Verkehr müssen wir bereits zur Mitte des Jahrhunderts CO2-neutral geworden sein. Ich plädiere dafür, dass wir uns dieser Herausforderung stellen und diese Umstellung in Deutschland jetzt einleiten

Sie haben gesagt, es sei machbar, schon in 20 bis 25 Jahren aus der Braunkohle-Verstromung auszusteigen. Das hat in Teilen Ihrer Partei sowie bei der Industriegewerkschaft IGBCE und im Energiekonzern RWE heftigen Widerspruch ausgelöst. Stehen Sie zu Ihren Äußerungen?

Hendricks: Deutschland hat sich in der EU dazu verpflichtet, 80 bis 95 Prozent seiner Treibhausgasemissionen bis 2050 einzusparen. Darauf haben wir uns schon 2007 einvernehmlich geeinigt. Für Deutschland bedeutet das eine Minderung eher an der oberen Kante. Deswegen schlage ich vor, dass wir jetzt den Weg beschreiben müssen, wie Deutschland das erreichen soll. Nur so schaffen wir Planungssicherheit für die Unternehmen und deren Mitarbeiter. Es geht nicht darum, Ausstiegsfristen festzulegen, sondern einen Weg zu finden, den alle Beteiligten – Politik, Wirtschaft und Arbeitnehmer – mitgehen können. Ich halte es für möglich, das wir das schaffen, ohne dass es dabei zu Strukturbrüchen kommt.

In NRW sieht man das offenbar anders. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) wirft Ihnen einen Alleingang vor. In einem Telefonat mit Ihnen soll es laut geworden sein.

Hendricks: Ich kann gut nachvollziehen, dass Hannelore Kraft über meine Äußerungen, so wie sie ihr nach Südamerika übermittelt wurden, nicht glücklich war. Aber wahrscheinlich ist sie über das, was ich gesagt habe, leider unvollständig informiert worden. Ich habe ja gar kein Kohleausstiegsgesetz mit konkreten Fristen gefordert, wie es fälschlicherweise berichtet wurde. Ich habe auch kein konkretes Ausstiegsdatum genannt. Es liegt doch auf der Hand, dass wir Strukturbrüche in den betroffenen Regionen gemeinsam auf jeden Fall vermeiden wollen und müssen. Doch wenn wir unsere internationalen Verpflichtungen im Klimaschutz einlösen und gleichzeitig den Unternehmen Verlässlichkeit geben wollen, dann müssen wir jetzt gemeinsam einen Pfad beschreiben und sagen, wie wir das erreichen wollen.

RWE beruft sich auf Signale der rot-grünen NRW-Regierung, noch bis 2050 Braunkohle verfeuern zu dürfen.

Hendricks: Ich weiß, dass der Leitentscheid der nordrhein-westfälischen Landesregierung in Vorbereitung ist. Dazu will ich mich jetzt nicht äußern. Aber daraus werden dann natürlich entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen sein.

Sehen Sie Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Sachen Kohleausstieg an Ihrer Seite?

Hendricks: Jedem in der Bundesregierung ist klar, dass die Kohleverstromung für unsere Energieversorgung mit dem Fortgang der Energiewende an Bedeutung verlieren wird. Das ist eine herausfordernde industriepolitische Umstrukturierung zum Zwecke des Klimaschutzes, den wir sozial gestalten müssen. Und ich bin überzeugt, dass er unser Land wirtschaftlich stärkt.

Wie soll der Abschied von der Kohleverstromung in Deutschland organisiert werden?

Hendricks: Indem wir die marktwirtschaftlichen Kräfte, die ohnehin in diese Richtung streben, in vernünftige und sozial tragfähige Bahnen lenken. Bund, Länder, Wirtschaft und Gewerkschaften müssen den Weg in die kohlenstoffarme Wirtschaft gemeinsam entwerfen. Wir müssen über einen Ausgleich für die betroffenen Regionen reden, denn wir können ja nicht eine ausgekohlte Landschaft samt den Menschen, die von der Braunkohle leben, zurücklassen. Ich glaube, dass die Menschen keine Angst haben müssen vor einem Abschied von der Kohleverstromung. Im Gegenteil, ich möchte in ihrem Sinne einen vernünftigen Prozess gestalten helfen.