Washington. Der US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump fällt ständig aus der Rolle. Seiner Beliebtheit in den Umfragen schadet das aber nicht.

„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, nicht aber auf eigenen Fakten.“ Selten zuvor hat ein Präsidentschaftskandidat in Amerika das ungeschriebene Grundgesetz des politischen Anstands so frech außer Kraft gesetzt wie jetzt Donald Trump. Obwohl die Nachweise für die Abwegigkeit seiner mitunter frei erfundenen Lügen-Geschichten längst Bände füllen, zieht der 69-Jährige seit fünf Monaten zur Freude seiner Anhänger mit dem rhetorischen Flammenwerfer durch die politische Landschaft. Die Umfragen scheinen ihm weiter Recht zu geben.

Die Republikaner, für die der Bauunternehmer antritt, geraten allmählich in Panik. Zwei Monate vor den ersten Vorwahlen liegt Trump in Iowa, New Hampshire, Nevada und South Carolina zum Teil deutlich vorn. Zum ersten Mal häufen sich die Stimmen, die „The Donald“ ernsthafte Chancen einräumen, im Juli 2016 als Kontrahent von Hillary Clinton auf den Schild gehoben zu werden.

Trump verunglimpfte Flüchtlinge als Terroristen

Was der Schlüsselübergabe für das Weiße Haus an die Demokraten gleichkäme, wie Matthew Dowd findet. Der Chef-Stratege des früheren republikanischen Präsidenten George W. Bush sagt, was viel Konservative denken: „Trump hat sich für große Teile der Bevölkerung unwählbar gemacht.“ Sein jüngster Faux-Pas – die Verächtlichmachung eines Körperbehinderten – geht selbst Sympathisanten unter die Haut.

Nach den Anschlägen von Paris hatte Trump syrische Flüchtlinge pauschal als potenzielle Terroristen verunglimpft und sich gegen ihre Aufnahme in den USA ausgesprochen. Außerdem forderte er die generelle Erfassung von Muslimen in einer Sonder-Datei und die Schließung von „dubiosen“ Moscheen. Berater von Marco Rubio und Jeb Bush, ebenfalls republikanische Kandidaten für die Präsidentschaft, bezeichneten Trump dafür offen als „Faschisten“ und „Rassisten“. Ohios Gouverneur John Kasich, auch er ein Trump-Rivale, ließ sogar TV-Spots schalten, die Trump mit den Methoden Hitler-Deutschlands in Verbindung bringen.

Die Wutbürger bilden eine Wagenburg um Trump

Was andere Kandidaten bremsen oder aus der Bahn werfen würde, stachelt Trump weiter an. Der dünnhäutige Narzisst verwandelt seine Schwächen regelmäßig in Speerspitzen. Widerspricht ihm etwa die Presse, widerlegen Fakten-Checker anhand von beglaubigten Behörden-Aussagen seine kruden Thesen, wirft der Milliardär den „unter einer Decke steckenden links-liberalen Medien“ das Unterdrücken unliebsamer Wahrheiten vor. Mit dem Effekt, dass sich das Heer der Wutbürger, die Trump an den Lippen hängen, wie eine Wagenburg um ihn schließt.

So war es auch, als Trump mit der sensationellen Nachricht aufwartete, dass nach dem 11. September 2001 in New Jersey gegenüber von Manhattan „Abertausende Muslime“ auf Straßen und Hausdächern den Einsturz des World Trade Centers gefeiert hätten. Er berief sich dabei auf Fernsehberichte, die er selbst gesehen haben will (die es aber nie gab) sowie auf den damals für die „Washington Post“ tätigen Journalisten Serge Kovaleski.

Das Problem dabei: Pulitzer-Preisträger Kovaleski hatte nichts dergleichen geschrieben und tat dies nach Trumps Einlassungen demonstrativ kund. Als Retourkutsche machte Trump den an einer angeborenen Gelenkversteifung leidenden Reporter bei einer Wahlkampfshow vor laufender Kamera lächerlich und äffte mit zuckenden Armbewegungen dessen Erkrankung nach.

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Trump spricht von „Missverständnis“

„Widerwärtig“, sagt dazu der sonst Republikaner-freundliche Kolumnist Charles Lane. Trump spricht von „Missverständnissen“ und wirft Kovaleski vor, seine Behinderung für „Effekthascherei“ zu missbrauchen.

Was tun gegen solche Stillosigkeit? Frank Luntz, einer der gewieftesten Stichwortgeber der Republikaner, sagt: „Niemand kann Trump für das zu Fall bringen, was er denkt und sagt.“ Andernfalls müsse er politisch schon lange tot sein.

Und was ist die Alternative? Berufs-Optimisten in der republikanischen Partei schöpfen aus dem Umstand Hoffnung, dass Trumps Kern-Anhängerschaft aus älteren, weißen Wählern mit geringem Bildungsgrad besteht. Sie setzen stattdessen auf „verantwortungsvolle“ Konservative. Der Rest ist Beten und Hoffen.