Paris. Wenn sich ab Montag Vertreter aus 190 Staaten zur UN-Klimakonferenz treffen, sind die Erwartungen hoch: Scheitern ist fast verboten.

„Die Hälfte ist geschafft“ – mit beißendem Sarkasmus kommentierten Klimaforscher die jüngste Meldung des britischen meteorologischen Dienstes: Um insgesamt ein Grad hat sich die Erdatmosphäre demnach gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmt. Ein Anstieg von zwei Grad gilt in weiten Teilen der Wissenschaft als Maximum. Darüber würden die Folgen des Klimawandels nicht mehr beherrschbar sein. Auf der UN-Klimakonferenz in Paris, die am kommenden Montag beginnt, soll nun ein weltweit rechtskräftiges Klimaschutzabkommen ausgehandelt werden. 40.000 bis 45.000 Menschen werden auf dem stark gesicherten Gelände des alten Flughafens Le Bourget nördlich von Paris erwartet. Der Wille, nach Jahrzehnten erfolgloser Klimadiplomatie einen verbindlichen Vertrag mit ambitionierten Zielen zu beschließen, sei groß, beteuern Regierungsvertreter. Dennoch gibt es viele Streitpunkte. Ein Überblick.


Was ist besonders an der Konferenz?

Kühltürme des Kohlekraftwerks in Shuozhou in China: Wie gelingt es in Paris, den Ausstoß des CO2 zu minimieren.
Kühltürme des Kohlekraftwerks in Shuozhou in China: Wie gelingt es in Paris, den Ausstoß des CO2 zu minimieren. © dpa | epa Qilai Shen

Es ist der zweite und womöglich entscheidende Anlauf, um unter dem Dach der Vereinten Nationen einen gemeinsamen Weg im Kampf gegen die Erderwärmung zu finden. Vertreter aus 195 Staaten beraten in den kommenden zwei Wochen über einen Vertrag, der für die Zeit ab 2020 rechtlich verbindliche Maßnahmen vorgibt, mit denen der Temperaturanstieg begrenzt werden kann. Bislang gab es nur das Kyoto-Protokoll, das lediglich den Industriestaaten eine Minderung ihrer Treibhausgase vorschrieb. Auf der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen war dieser Versuch vor allem deswegen gescheitert, weil sich die Länder mit dem größten Ausstoß an Treibhausgasen nicht auf Einsparziele verpflichten lassen wollten.

Nach dem Scheitern in Kopenhagen dauerte es sechs Jahre, bis der Rahmen eines neuen Vertrags grob ausformuliert werden konnte. Seine rechtliche Form ist noch ungewiss, viele Textpassagen sind noch mit Klammern versehen. Die Klimadiplomaten haben nun zwei Wochen Zeit, um diese Streitpunkte zu klären.


Was sind die wichtigsten Themen?

Bei einem der größten Themenblöcke geht es um die Frage, welche Beiträge die Staaten leisten wollen, um die globale Erwärmung zu bremsen. Die so genannten nationalen Klimaschutzbeiträge sind freiwillige Maßnahmenpakete von Staaten, die im Laufe des vergangenen Jahres beim Klimasekretariat in Bonn vorgelegt wurden. Laut aktuellem Stand haben bislang 171 Staaten ihre Bereitschaft zum Klimaschutz erklärt. Zusammen sind diese Staaten für 95 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Klimaforscher des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben ausgerechnet, dass das CO2-Einsparpotenzial aller vorgelegten Beiträge eigentlich dazu führen könnte, dass die erhoffte Begrenzung des Temperaturanstiegs auf zwei Grad zumindest in Reichweite käme – allerdings nur, wenn die Anstrengungen verschärft würden. Ein „Weitermachen wie bisher“ würde verheerende Folgen haben. „Das ist die Eisenkugel an unserem Fuß, die wir mit uns herumschleppen“, sagt Klimaforscher und PIK-Direktor Hans Joachim Schellnhuber. Weitere große Themen sind die Finanzhilfen für ärmere Länder sowie der Aufbau eines Versicherungssystems, das betroffene Länder im Umgang mit Umweltschäden und Katastrophenvorsorge unterstützen soll.

Welche Knackpunkte wird es geben?

Die große Frage ist, wie ambitioniert das „Pariser Klimaschutzabkommen“ am Ende ausfällt. Die bislang eingesammelten freiwilligen Leistungen reichen laut UN-Klimasekretariat in dieser Form nicht aus, um die Treibhausgasemissionen signifikant zu senken und die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Eine wichtige Rolle spielt die EU-Delegation. Sie schlägt vor, dass die nationalen Ziele in einem Fünf-Jahres-Rhythmus regelmäßig nachvollziehbar überprüft und verschärft werden. Offen ist jedoch, wie verbindlich die dafür nötigen Transparenzregeln und Berichtspflichten sein werden. Auch müssen die einzelnen Beiträge exakter formuliert werden, um sie vergleichbar zu machen. Große Schwellenländer haben in der Vergangenheit externe Überprüfungen strikt abgelehnt. China, der weltgrößte CO2-Produzent, hat nun laut Aussage der Bundesregierung zugesagt, sich dieser Regelung zu fügen.

Droht auch in Paris wieder ein Konflikt zwischen Reich und Arm?

Der Streit um Schuld und Verantwortung könnte ein wesentlicher Knackpunkt für eine Einigung in Paris sein, heißt es in Delegationskreisen. Im Mittelpunkt steht dabei der „Klimafonds“: Industrieländer haben zugesagt, ab 2020 pro Jahr 100 Milliarden Euro für Klimaschutz und Anpassung in armen Ländern zur Verfügung zu stellen. Deutschland will sich mit zehn Prozent der Summe beteiligen. In Paris müssen die reichen Länder nun glaubwürdig darlegen, wie sie die Zahlungen umsetzen wollen. Entwicklungsstaaten pochen darauf, dass nun im Vertrag konkrete Zahlen genannt werden. Die Industriestaaten wollen, dass der Geberkreis erweitert wird: Mittlerweile finanzkräftige Schwellenländer und Öl-Nationen wie Katar sollen an der Finanzierung des globalen Klimaschutzes beteiligt werden. Weiterer Knackpunkt ist, ob die Vereinbarungen zum Umgang mit Umweltschäden unter der Überschrift „Schäden und Verluste“ in den rechtlich bindenden Vertrag aufgenommen werden sollen. Die Industriestaaten als historische Verursacher der Erderwärmung wollen dies vermeiden: Arme Staaten könnten künftig daraus Entschädigungsansprüche ableiten.

Welche Nationen werden den Ausgang der Konferenz prägen?

321 Quadratkilometer groß ist Kiritimati – zumindest noch. Die Insel kämpft ums Überleben.
321 Quadratkilometer groß ist Kiritimati – zumindest noch. Die Insel kämpft ums Überleben. © dpa | NASA

Vieles liegt in der Hand zweier Nationen: China und USA. Schaut man sich die CO2-Emissionen pro Kopf an, liegt China mit aktuell 7,4 Tonnen pro Jahr weit hinter den USA (16,6) und Deutschland (10,2). China aber ist das einwohnerstärkste Land der Erde und inzwischen allein für mehr als ein Viertel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, die USA für weitere 17 Prozent. Ihnen gegenüber stehen die Länder, die den Klimawandel am wenigsten zu verantworten haben, von ihm aber zuerst existenziell verletzt sein werden. Dazu gehören kleine Inselstaaten wie Kiribati, Tuvalu oder Vanuatu. Das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, halten sie für ungenügend: Für sie wäre der damit verbundene Anstieg des Meeresspiegels das Todesurteil.