Washington. Im Oktober bombardierten US-Kräfte eine Klinik in Kundus. Ein General räumt nun ein, dass schlicht das „falsche Ziel“ erwischt wurde.

Die verheerende Bombardierung des Krankenhauses der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) im afghanischen Kundus durch die US-Luftwaffe geht auf „vielfache Irrtümer“, „technische Schwierigkeiten“ und „vermeidbares menschliches Versagen“ zurück. Das sagte der US-Oberkommandierende in Afghanistan, John Campbell, am Mittwoch vor Journalisten in Washington und räumte „schwere Versäumnisse“ ein.

Campbell bezeichnete die Ereignisse vom 3. Oktober als „tragischen Fehler“. Er sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus und kündigte finanzielle Hilfe beim Wiederaufbau des Hospitals und die Suspendierung von Verantwortlichen an.

Bei dem einstündigen nächtlichen Bomben-Angriff starben 31 Ärzte, Mitarbeiter und Patienten, mindestens 28 wurden schwer verletzt. MSF wirft den USA ein Kriegsverbrechen vor und verlangt juristische Konsequenzen durch unabhängige Gerichte.

Bericht kommt Eingeständnis von „Totalversagen“ gleich

Nach Auswertung eines 3000 Seiten umfassenden Untersuchungsberichts kam General Campbell zu einem Befund, der laut Menschenrechts-Organisationen in Washington dem Eingeständnis von „Totalversagen“ gleichkommt. „Die Zweifel an der Kompetenz der US-Streitkräfte auch bei künftigen Luftangriffen etwa in Syrien und im Irak werden größer“, sagte ein Sprecher.

Wichtigstes Detail: Campbell räumte ein, dass die an der Kommando-Aktion beteiligten US-Stellen schlicht das „falsche Ziel“ in Schutt und Asche gelegt hatten. Geplant sei gewesen, ein etwa 500 Meter neben dem Krankenhaus liegendes Gebäude zu bombardieren, in dem aufständische Taliban vermutet wurden. Radikal-Islamisten der Terror-Organisation hatten in den Tagen zuvor Kundus eingenommen.

Ziele wurden verwechselt

Dass der Feuerbefehl in Wahrheit dem einzigen Krankenhaus weit und breit gegolten habe, wussten die Kanoniere an Bord der Kampflugzeuge nicht, sagte Campbell. Wie es zu der Verwechslung der Ziele kommen konnte, für die afghanisches Militär, US-Kräfte am Boden sowie in der Leitzentrale in Bagram und in den Spezial-Kampfflugzeugen vom Typ AC 130 die Verantwortung trügen, ließ der General offen. Allerdings gestand er schwere Verstöße gegen interne Einsatzregeln bei Luftangriffen ein, wenn weder US-Truppen noch afghanische Soldaten wie im Fall Kundus unmittelbar bedroht sind.

„Die Aktion war unangemessen“, sagte er. Im Untersuchungsbericht heißt es dazu, dass die Bombardierung auf Basis von mündlichen Informationen von Bodenkräften erfolgte. Technisch verlässliche Ziel-Koordinaten über Instrumente gab es nicht.

„Wir haben einen furchtbaren Fehler gemacht“

Unklar blieb, warum US-Kommandeure erst nach etwa 20 Minuten feststellten, dass sie ein von der Genfer Konvention geschütztes Krankenhaus mit bis dahin 211 Granaten unter Beschuss genommen hatten. Die Leitung von Ärzte ohne Grenzen gab an, unmittelbar nach Beginn der Bombardierung über E-Mails, Text-Mitteilungen und Telefon mit Stellen in Washington, Kabul und Bagram in Kontakt getreten zu sein.

US-Brigade-General Wilson Shoffner beantwortete Detail-Fragen nach den Abläufen einer „komplizierten und chaotischen Situation“ nur pauschal: „Wir haben einen furchtbaren Fehler gemacht, der zu unnötigen Toten führte. Es bricht uns das Herz. Wir würden nie mit Absicht ein Krankenhaus bombardieren.“