Washington. Frankreichs Präsident Hollande sucht in den USA den Schulterschluss gegen den IS. Doch der Abschuss in der Türkei verändert vieles.

François Hollande hatte mit vielem gerechnet, bevor seine Maschine am Dienstag in Washington landete – damit nicht. Der Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei im syrisch-türkischen Grenzgebiet hat die Tagesordnung des französischen Staatspräsidenten bei seiner Stippvisite in der US-Hauptstadt gründlich durcheinander gewirbelt.

Anstatt mit Gastgeber Barack Obama nach der Tragödie von Paris über die Aufstellung einer breiten internationalen Front im Kampf gegen das Terrornetzwerk „Islamischer Staat“ (IS) zu sprechen, musste Hollande erkennen, dass der Konflikt zwischen Moskau und Ankara genau dieses Ziel gefährdet. „Der Zwischenfall hat den schwierigen Schulterschluss im Kampf gegen den IS sehr erschwert“, ließen Pariser Diplomaten am Rande des eiligen Staatsbesuchs verlauten.

„Wir stehen in völliger Solidarität zu Frankreich“

Umso mehr machten Obama und Hollande im Anschluss an das knapp 90-minütige Gespräch vor den Medien zunächst auf wohlfühligen Gleichschritt. „Wir stehen vereint in völliger Solidarität mit Frankreich“, sagte Obama und sicherte Hollande aktive Mithilfe zu, um den IS zu „zerstören“. Aber: „Wir müssen es gemeinsam tun.“

Obama deutete an, dass die USA gewillt sind, die Zahl der seit 14 Monaten geflogenen Luftangriffe auf wichtige IS-Ziele in Syrien und im Irak zu erhöhen. Auch beim Transport schweren Kriegsgeräts und der geheimdienstlichen Zuarbeit kündigte der US-Präsident zusätzliches Engagement an. Mehr aber auch nicht. Regierungsmitarbeiter hatten bereits vorher ausgeschlossen, dass Obama im Lichte der Ereignisse von Paris doch noch eigene Bodentruppen an die Front schicken könnte.

Der IS bleibt die zentrale Bedrohung

Obama wie Hollande betonten, die Vermeidung einer Eskalation zwischen der Türkei und Russland sei nun oberstes Gebot. Nichts dürfe davon ablenken, dass der IS die zentrale Bedrohung für alle sei, sagte Hollande. Obama gab Russland gleichwohl unüberhörbar eine substanzielle Teilschuld am Abschuss des Kampfjets. Würde Moskau allein den IS bombardieren, so seine Botschaft, wäre das Risiko für solche Zwischenfälle geringer. Hollande nickte zustimmend.

Offen blieb nach dem Staatsbesuch, welche Prokura Obama seinem Gast vor dessen Besuch bei Russlands Präsident Wladimir Putin am Donnerstag gegeben hat. Hollande will Moskau und Washington in ein gemeinsames Aktionsbündnis gegen die Radikal-Islamisten ziehen. Amerika hat starke Vorbehalte, obwohl Obama und Putin zuletzt bei G 20-Gipfel in der Türkei „konstruktive Gespräche“ geführt haben, wie das Weiße Haus erklärte.

Obama: Russland muss Raketen neu ausrichten

Die Kernbedingungen für eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit Putin in Syrien machte Obama gestern erneut klar: Russland müsse seine Raketen neu justieren. Weg von den Rebellen, die den syrischen Diktator Assad aus dem Amt bomben wollen. Hin zu den Terror-Islamisten des IS, die sich nach dem Abschuss einer russischen Passagiermaschine und dem Massaker von Paris zur globalen Bedrohung entwickelten.

Zweitens: Eine politische Lösung des syrischen Bürgerkrieges, die 2017 nach Möglichkeit in Neuwahlen unter Berücksichtigung der syrischen Opposition münden soll, muss nach Überzeugung Obamas das unwiderrufliche Abdanken Assads beinhalten. Nicht unbedingt sofort, aber spätestens am Ende eine Prozesses der nationalen Aussöhnung.

Putin hält weiter zu Syriens Machthaber Assad

Ein Standpunkt, bei dem Obama auf einer Linie mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan liegt. Aber nicht mit Putin, der Assad weiter die Stange hält und Erdogan seit gestern auf die Liste seiner Intimfeinde gesetzt haben dürfte. Hollandes Mission in Moskau macht das nicht unbedingt einfacher. Vor allem weil Frankreichs Präsident in einem wichtigen Detail auf Erdogan angewiesen ist: Die Grenze zwischen Syrien und der Türkei muss so schnell wie möglich wirksam geschlossen werden, sagte Hollande. Damit keine Terroristen mehr nach Europa einreisen könnten.