Brüssel. Nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets warnen die Nato-Staaten vor einer Eskalation. Der Türkei wurde Solidarität zugesichert.

Die Nato-Staaten haben dem Bündnispartner Türkei nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets im türkisch-syrischen Grenzgebiet ihre Solidarität zugesichert. Gleichzeitig warnten sie allerdings vor einer weiteren Zuspitzung der Lage. „Ich rufe zu Ruhe und zu Deeskalation auf“, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstagabend nach einer von der Türkei beantragten Sondersitzung des Nato-Rates in Brüssel. In dem Rat sitzen Vertreter aller 28 Bündnisstaaten.

Nato: Russland soll Luftraum verletzt haben

Erkenntnisse der Nato deuten darauf hin, dass das von der Türkei abgeschossene russische Kampfflugzeug zuvor tatsächlich den türkischen Luftraum verletzt hat. „Die Informationen, die wir von anderen Alliierten haben, stimmen mit dem überein, was wir von der Türkei bekommen haben“, sagte der Generalsekretär unter Berufung auf Daten „einiger Verbündeter“.

Stoltenberg betonte, er habe bereits in der Vergangenheit mehrfach seine Besorgnis über die russische Militäraktionen in der Nähe von Nato-Grenzen zum Ausdruck gebracht. Der Abschuss zeige, wie wichtig Absprachen seien, um solche Vorfälle in der Zukunft zu vermeiden.

Die türkische Regierung hatte am Vormittag bestätigt, im syrisch-türkischen Grenzgebiet ein Flugzeug abgeschossen zu haben. Es habe den türkischen Luftraum verletzt. Zehn Warnungen innerhalb von fünf Minuten seien ignoriert worden, so die türkischen Streitkräfte. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan unterstrich am Dienstagabend das Recht seines Landes zur Verteidigung seiner Grenzen. Jeder müsse dieses Recht respektieren.

Moskau stuft Abschuss als „feindselige Handlung“ ein

Das Ministerium in Moskau widersprach der türkischen Darstellung, wonach der Jet türkischen Luftraum verletzt habe. Nachweislich sei das Flugzeug die ganze Zeit über syrisches Territorium geflogen. Ankara habe keine Beweise für die Behauptung, sagte Kremlsprecher Peskow. Der Abschuss sei ein „sehr ernster Vorfall“ und eine „feindselige Handlung“.

Russlands Präsident Wladimir Putin verurteilte den Abschuss in scharfen Worten. Im Kampf gegen den Terror sei das ein Schlag von hinten gewesen, „begangen von Helfershelfern von Terroristen“, sagte Putin am Dienstag live im russischen Fernsehen. Ein für diesen Mittwoch geplanter Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow in der Türkei wurde abgesagt. Lawrow warnte seine Landsleute davor, in die Türkei zu reisen. Die Terrorbedrohung dort sei nicht geringer als in Ägypten.

Schicksal der Piloten ungewiss

Über das Schicksal der Piloten des abgeschossenen Kampfjets gibt es unterschiedliche Meldungen. Einem türkischen Medienbericht zufolge sollen beide Piloten am Leben sein. Die Russen seien in den Händen syrischer Regimegegner, meldete die Nachrichtenagentur DHA am Dienstag unter Berufung auf türkische Regierungsquellen. Örtliche Rebellen hatten zuvor mitgeteilt, dass einer der Piloten tot sei und „durch die Hände von Rebellen umgekommen“ sei.

Aus Moskau war dagegen zu hören, dass mindestens einer der beiden Piloten ums Leben gekommen sei. Das Schicksal des zweiten Soldaten sei ungewiss, teilte der Generalstab in Moskau am Dienstag mit. Ein weiterer russischer Militärangehöriger sei beim Angriff von syrischen Rebellen auf einen russischen Hubschrauber ums Leben gekommen, sagte Sprecher Sergej Rudski der Agentur Interfax zufolge. Für Russland sind es die ersten toten Soldaten im Syrien-Einsatz seit Beginn der Luftangriffe zur Unterstützung des mit Moskau verbündeten syrischen Präsidenten Baschar al-Assad Ende September. (dpa)