Berlin. Bundeskanzlerin Merkel hält an ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik fest – spricht sich aber auch für schnellere Abschiebungen aus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will an ihrer Flüchtlingspolitik festhalten. Sie habe eine Vorstellung, „für die werde ich kämpfen“, kündigte sie am Freitag im ZDF an. Sie kämpfe für ihren Plan, „an den Fluchtursachen anzusetzen, aus Illegalität Legalität zu machen“. Ans Aufgeben denkt die Kanzlerin nicht: „Ich habe gerade so viel zu tun, die Arbeit ist nicht weniger geworden“, erklärte sie.

Die Christdemokratin führte sich in der Sendung „Was nun, Frau Merkel?“ gleich mit einem Signalsatz ein: „Die Bundeskanzlerin hat die Lage im Griff.“ Um das festzustellen, hatte sie einen CDU-Termin im Saarland abgesagt, war zwischen zwei internationalen Gipfeltreffen im Studio erschienen.

Finanzminister Wolfgang Schäuble sei eine Klasse für sich

Merkel stellte sich auch den Fragen zu den zwei Ministern und CDU-Parteifreunden, die ihr zuletzt Paroli geboten haben und in Umfragen von den Bürgern besser bewertet werden als sie: Thomas de Maizière (Innen) und Wolfgang Schäuble (Finanzen). Schmallippig wird Merkel einzig, wenn sie auf CSU-Chef Horst Seehofer angesprochen wird. Ihr Vertrauen zu ihm sei „weiter vorhanden“. Das darf man wohl als das rigorose Minimum zwischen (Partei-)Freunden bezeichnen.

Feine Unterschiede macht Merkel zwischen ihren Kabinettsmitgliedern. Bei de Maizière verwies sie darauf, dass er sich einordnen müsse. Seine Ressortzuständigkeit bewege sich „immer innerhalb“ ihrer Richtlinienkompetenz. Die Antwort klang einstudiert, einschließlich des Verweises auf Artikel 65 Grundgesetz, in dem diese Art Hausordnung im Kabinett festgeschrieben ist. Da darf ein Millionenpublikum auch schon mal Interna erfahren; nämlich, dass sie persönlich de Maizière gebremst und entschieden hatte, den Familiennachzug für syrische Flüchtlinge nicht im Alleingang zu begrenzen. Er darf das nur im Zusammenspiel mit den Innenministern der Länder.

Nachsichtiger ging sie mit dem Finanzminister um: „Wolfgang Schäuble ist eine Klasse für sich“, sagte sie und rang sich zu einem schiefen Lächeln durch. Das heißt nicht, dass sie seine politische Lawinenwarnung gut heißt. Menschen mit einer Naturkatastrophe zu vergleichen – nicht ihr Ding. Sie denke nicht „in solchen Bildern, für mich kommen einzelne Menschen“. Und: „Jeder, der zu uns kommt, hat ein Grund zu fliehen.“

Merkel will Kurs halten und an offene Grenzen festhalten

An dem Satz erkennt man, dass Merkel Kurs halten will – „absolut“. Zumal sie außerdem beteuerte, die Grenzöffnung im September sei keine Entscheidung des Herzens über den Verstand („absolut falsch“, die Vorstellung), nein: „Sie war auch richtig“. Die „Freiheit der Bewegung in Europa“ möchte sie erhalten, „das ist ein Riesenglück“. Auch von dem, was man gemeinhin Willkommenskultur nennt, rückt sie nicht ab. Sie sei dafür, „dass wir ein freundliches Gesicht von Deutschland zeigen“.

Zwar will auch die Kanzlerin den Zustrom ordnen, steuern, reduzieren. Aber die Lösung sieht sie weniger im Inland, in Grenzzäunen, Obergrenzen für Asylbewerber und ähnlich restriktiven Maßnahmen, sondern in einem besseren Schutz der Außengrenzen, „daran arbeiten wir“. Das setze eine Kooperation mit der Türkei voraus, von der man sich in gewisser Weise abhängig mache, „das ist klar“. „Wir werden einen vertrauensvollen Prozess aufbauen“, versprach Merkel, „es ist doch ein Partner.“ Sie wäre dafür, dass die EU mit den Türken Kontingente von Flüchtlingen vereinbare, die man ihr abnehme.

Merkel ist sich sicher, dass wir „heute viel weiter“ seien als vielleicht noch vor vier Wochen. Sie ist sich aber zugleich ihres Problems bewusst: Geduld. Merkel hat sie. Aber haben auch die Wähler sie mit ihrer Kanzlerin? „Ich werbe dafür.“ Dabei kann sie ihnen keine Hoffnung machen, dass die Zahl der Flüchtlinge noch bis Jahresende zurückgehen wird. Sie hoffe das, könne sich aber nicht festlegen. „Wir müssen trotzdem daran arbeiten, dass wir es schaffen.“

Zu den eher harten Seiten der Kanzlerin gehört es, dass sie sich dafür aussprach, abgelehnte Asylbewerber schneller, konsequenter abzuschieben und dass sie den Flüchtlingen keine Hoffnungen machte, dass ihre Anträge auf Familiennachzug in absehbare Zeit positiv entschieden werden. Aus praktischen Gründen: „Wir können den Familiennachzug kaum bearbeiten“, gestand die Kanzlerin frank und frei.

Nur noch 43 Prozent der Bürger geben ihr weiterhin gute Noten

Es ist der Sound, der aktuell am besten bei den Wählern ankommt und den sie eher mit de Maizière und Schäuble verbinden. Im neuen ZDF-Politbarometer schneidet der Innenminister besser als seine Chefin ab. 45 Prozent der Bürger sind der Meinung, dass de Maizière seine Arbeit eher gut macht; im September fanden das nur 34 Prozent.

Merkels Arbeit in der Flüchtlingskrise wird von einer Mehrheit (52 Prozent) als eher schlecht bewertet; gute Noten bekommt sie nur von 43 Prozent. Die Hälfte der Befragten vertraten die Ansicht, dass Deutschland die vielen Flüchtlinge nicht verkraften könne, 47 Prozent halten dagegen. Auf Platz eins der wichtigsten Politiker liegt Schäuble, Merkel folgt auf Platz vier. Und der Druck auf sie lässt nicht nach. Gestern verlangte die CDU-Mittelstandsvereinigung, Flüchtlinge notfalls an der Grenze zurückzuweisen.