Berlin. Sorgt eine gestiegene Verantwortung in der Welt für gestiegene Reisekosten? Die Trips der Abgeordneten werden jedenfalls immer teurer.

Heute in Berlin, morgen in Brüssel, Havanna oder Kapstadt: Die Bundestagsabgeordneten sind auch im Ausland viel unterwegs – die Reisekosten des Parlaments steigen nach Informationen unserer Redaktion massiv an und werden in dieser Wahlperiode einen neuen Rekordstand erreichen.

Allein in der ersten Hälfte der laufenden Legislaturperiode von Oktober 2013 bis September 2015 gab der Bundestag 6,08 Millionen Euro für insgesamt 1204 Auslandsreisen aus. Das geht aus dem neuen Reisekostenbericht von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hervor, der unserer Redaktion vorliegt. Im Vergleich zur ersten Hälfte der vorangegangenen Wahlperiode (2009–2011) sind die Ausgaben für Auslandsfahrten damit um knapp 25 Prozent gestiegen.

Weitere Steigerung zu erwarten

Und der Trend hält an: Allein für 2016 sind laut Haushaltsentwurf 5,2 Millionen Euro für Auslandsreisen eingeplant. Zum Vergleich: In der vergangenen Wahlperiode 2009 bis 2013 kosteten die internationalen Aktivitäten mit insgesamt 2318 Reisen 11,8 Millionen Euro – wobei etwa 60 Prozent der Kosten erst in der zweiten Hälfte entstanden waren.

Lammert, der alle zwei Jahre einen Bericht über die internationalen Aktivitäten des Bundestags vorlegt, begründet die rege Reisetätigkeit mit der „gestiegenen Verantwortung Deutschlands gegenüber seinen Partnern in der Welt“. Der Bundesrepublik werde auf internationaler Ebene zunehmend eine entscheidende Rolle zugewiesen, dem entspreche eine „angemessene internationale Tätigkeit des Parlaments“, schreibt der Präsident in seiner Unterrichtung. Um ihrer internationalen Verantwortung gerecht zu werden, sei es für die Bundestagsabgeordneten erforderlich, eine intensive Zusammenarbeit mit ausländischen Politikern und Institutionen zu pflegen.

Lammert mahnte einst zu mehr Disziplin

Allerdings klang Lammert auch schon mal anders – vergeblich hatte er vor einigen Jahren versucht, das Reisefieber einzudämmen. Der Bundestag sei im Vergleich zu anderen Parlamenten Spitzenreiter, hatte Lammert 2011 geklagt und vor allem gefordert, mehr Disziplin bei Einzelreisen oder der Reisebegleitung von Regierungsmitgliedern zu üben. Geholfen hat es wenig.

Womit noch nichts über Sinn und Unsinn der einzelnen Reisen gesagt ist. Nachdem es in früheren Jahren immer mal wieder zu öffentlichen Diskussionen über fragwürdige Trips von Bundestagsausschüssen nach Afrika, Südostasien oder Lateinamerika gekommen war, bemüht sich das Parlament seit einigen Jahren um mehr Transparenz. Den größten Kostenblock bildeten in den vergangenen zwei Jahren die 120 Reisen von Ausschussdelegationen, hinzu kommen 814 Einzeldienstreisen von Abgeordneten und 24 Reisen von Parlamentariergruppen.

Am häufigsten innerhalb Europas

67 Mal starteten allein Präsident Lammert und seine Kollegen aus dem Parlamentspräsidium zu Besuchen etwa in Australien, Südostasien, Mexiko oder dem Iran. 167 Mal waren internationale Konferenzen und Parlamentsversammlungen Anlass für Exkursionen ins Ausland.

Am häufigsten hatten die Abgeordneten das europäische Ausland zum Ziel. Brüssel, Paris, London – ungewöhnlich oft reisten Parlamentarier aber auch als Krisendiplomaten in die Ukraine, nach Russland oder Griechenland. Bei den Überseedestinationen stehen die USA auf Platz eins. Solche Reisen stoßen auch in der Öffentlichkeit in der Regel auf viel Verständnis. Unter größerem Rechtfertigungsdruck stehen die Reisen der Bundestagsausschüsse, bei denen in der Vergangenheit politisches und touristisches Interesse nicht immer sauber getrennt waren.

Wegen WM-Sicherheitskonzept nach Brasilien

Lammert verweist darauf, die Ausschussreisen dienten dem Erfahrungsaustausch und Erkenntnissen für die eigene Arbeit. So flog eine siebenköpfige Delegation des Innenausschusses im April 2014 für eine Woche nach Brasilien, um sich über das Sicherheitskonzept der bevorstehenden Fußball-WM zu informieren, später ging es für den Ausschuss auch nach Rumänien und in die USA. Der Haushaltsausschuss brach nach Namibia auf, weil er sich über deutsche Hilfsprogramme unterrichten lassen wollte, zudem reisten die einflussreichen Haushälter nach Ghana, Griechenland, in die USA und Japan.

Der Sportausschuss flog für eine Woche nach Sambia, Kapstadt und Namibia, um deutsche Sportentwicklungsprojekte zu besichtigen. Ohnehin ist der Informationsbedarf über deutsche Entwicklungsprojekte ein steter Anlass für Bundestagsreisen. Delegationen des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung reisten seit Ende 2013 nach Bosnien-Herzegowina und Serbien, Vietnam und Pakistan, Kuba und Guatemala, Kolumbien und Mexiko.