Berlin. De EU will das Kraftfahrt-Bundesamt überwachen, weil die Behörde zu wenig kontrolliert. Das ist ein Problem für den Verkehrsminister.

Der EU-Kommission reicht es. Lange hat sie sich den VW-Skandal um manipulierte Abgaswerte angeschaut. Doch jetzt greift Brüssel durch. Ziel des Angriffs: das Kraftfahrt-Bundesamt. EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska will die deutsche Kfz-Behörde an die Leine nehmen. Die Genehmigungssysteme der Mitgliedstaaten hätten versagt, lautet der Vorwurf der Kommissarin.

Und sie präsentiert sogleich eine Idee, wie es in Zukunft besser gemacht werden kann: Die EU will kontrollieren und überprüfen, ob die nationalen Behörden auch ordnungsgemäß arbeiten. Bienkowska will im Dezember Pläne vorstellen, wie sie sich das vorstellt. Damit setzt Brüssel das Kraftfahrt-Bundesamt gehörig unter Druck.

In Flensburg versteht man die Kritik nicht

Das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg ist bei den Deutschen nicht sonderlich beliebt: Hier werden die Verkehrsverstöße verwaltet. Punkte in Flensburg ist eine Aussage, die jeder versteht. Zudem ist die Behörde auch für die monatlichen Neuanmeldungen und die Überprüfung der Abgaswerte zuständig.

Chef des Kraftfahrt-Bundesamtes ist seit 2004 Ekhard Zinke. Zu den Vorwürfen der Europäischen Kommission nimmt er am Donnerstag seltsamerweise keine Stellung. Laut seinem Pressesprecher ist Zinke „nicht greifbar im Moment“. Jedenfalls kann man im Kraftfahrt-Bundesamt die Anschuldigungen nicht verstehen. „Wir handeln nach den geltenden Vorschriften“, sagte der Pressesprecher dieser Zeitung. Er versteht die Sätze der EU-Industriekommissarin als „Kritik am geltenden Recht und nicht an unserer Behörde“.

Experten werfen dem Amt Überforderung und Naivität vor

Experten haben sich schon länger auf das Kraftfahrt-Bundesamt eingeschossen. Der Vorwurf: Ohne dieser Behörde ist der VW-Skandal in diesem Ausmaß überhaupt nicht denkbar. „Das KBA ist mitverantwortlich dafür, dass Volkswagen die Schadstoffbilanzen Hunderttausender Autos frisieren konnte“, schimpft zum Beispiel der Duisburger Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer. Er wirft dem Amt Überforderung und Naivität vor. Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management, kritisiert im VW-Abgas-Skandal eine „Kultur des Wegschauens von Seiten der Behörden“.

Doch die Kfz-Behörde ist natürlich nicht autonom, sie untersteht dem Bundesverkehrministerium. Und so gelten die Sätze der EU-Kommissarin Bienkowska nicht nur dem Amt, sondern auch dem zuständigen Minister in Berlin. Das macht die Abgas-Affäre für Alexander Dobrindt (CSU) noch komplizierter. Er hat jetzt eine weitere große Baustelle.

Ihre Äußerungen platziert die EU-Kommissarin genau zu ihrem Berlin-Besuch

Und es ist kein Zufall, dass die EU-Kommissarin ihre Pläne an dem Tag veröffentlicht, an dem sie in Berlin ist. In der deutschen Hauptstadt will sich Bienkowska unter anderem mit Dobrindt und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) besprechen.

Die strengen Worten aus Brüssel befeuern natürlich die politische Debatte. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter greift den Verkehrsminister direkt an. „Dobrindt versagt als Chefaufklärer“, sagte Hofreiter dieser Zeitung. „Eher bedient er die Nebelmaschine und sabotiert die Aufklärung.“ In Dobrindts Kraftfahrt-Bundesamt, das nun eigentlich mit Hochdruck an der Aufklärung arbeiten müsse, herrsche Stillstand. Der Minister sei der Cheflobbyist der Automobilkonzerne. Hofreiter begrüßt die Kontrollen auf europäischer Ebene.

Elzbieta Bienkowska ist bei VW alles andere als zimperlich

Auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sieht die Schuld bei Dobrindt. „Das Ganze ist ein Komplettversagen des zuständigen Ministers und aller zuständigen Kontrollbehörden einschließlich des Kraftfahrt-Bundesamtes“, sagte Bartsch dieser Zeitung. Dobrindt sei viel zu defensiv und damit Teil des Problems.

Das mit Bienkowska nicht zu spaßen ist, zeigt eine Episode ihres Berlin-Besuchs. Eigentlich wollte die Polin auch VW-Markenvorstand Herbert Diess treffen. Doch der sagte kurzfristig ab – und Bienkowska zeigte sich öffentlich „enttäuscht“. Überhaupt geht sie mit dem Konzern nicht zimperlich um. Zuletzt sagte sie kämpferisch: „Es war Betrug – und ich werde nicht aufhören, dieses Wort zu verwenden.“