Peking. Erstmals seit mehr als 65 Jahren will Chinas Präsident seinen Amtskollegen von Taiwan treffen. Historische Wende oder Wahlkampf-Gag?

Weder wird eine Vereinbarung unterzeichnet, noch ein Abkommen. Es wird nicht einmal eine gemeinsame Erklärung geben. Und doch ist diese Begegnung historisch: Erstmals seit dem Ende Bürgerkriegs vor mehr als 65 Jahren wollen die Staatschefs von China und Taiwan zu einem direkten Gespräch zusammenkommen. Das Treffen zwischen Xi Jinping und Ma Yingjeou ist für Samstag in Singapur terminiert.

Allein diese Ankündigung stellt eine Zäsur dar. Denn bis heute erkennen sich beide Staaten gegenseitig nicht an. De facto ist Taiwan mit seinen 23 Millionen Einwohnern zwar ein unabhängiger Staat mit Demokratie, eigener Verwaltung und eigenem Militär – auf Betreiben Pekings wird die Insel jedoch von den meisten Ländern nicht als eigenständiger Staat anerkannt. Die Führung in Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz.

„Ein Meilenstein in den Beziehungen“

Für die Regierung in Taiwan wiederum ist das Festland nur vorübergehend in der Hand der Kommunistischen Partei (KP), nachdem die nationalchinesische Regierung unter Führung der Kuomintang (KMT) 1949 nach dem verlorenen Bürgerkrieg nach Taiwan fliehen musste. Immer wieder hat die KP-Führung in Peking mit Gewalt gedroht, sollte eine taiwanische Regierung es wagen, die Unabhängigkeit auszurufen.

Pekings offizieller Taiwan-Beauftragter, Zhang Zhijun, bezeichnete das nun anberaumte Treffen als ein „Meilenstein in den Beziehungen“ und bezeichnete die Präsidenten als „Anführer auf beiden Seiten der Taiwan-Straße“. Damit erkennt die kommunistische Führung in Peking den Präsidenten der „Republik China“ – wie sich Taiwans Regierung offiziell bezeichnet – zwar auch weiter nicht an. Doch Zhangs Formulierung deutet daraufhin, dass beide Seiten sich am Samstag auf Augenhöhe begegnen werden. Das hatte Taipeh stets gefordert.

Viele Taiwaner trauen dem Frieden nicht

Doch so erfreulich diese Zusammenkunft auf den ersten Blick erscheinen mag – viele Taiwaner sind nicht begeistert. Sie befürchten, Peking werde unmittelbar Einfluss auf die Innenpolitik des Inselstaates nehmen. In Taiwan stehen im Januar Präsidentschaftswahlen an. Ma Yingjeou von der KMT darf nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten. Aber nicht zuletzt die Annäherungspolitik seiner Partei an China hat in den vergangenen Jahren zu Massenprotesten geführt.

So hat Ma auch die Bedingungen für Investoren vom Festland auf Taiwan gelockert. Viele Taiwaner fürchten, von Chinesen vom Festland förmlich überrannt zu werden. Hunderte Peking-Gegner protestierten auch am Mittwoch vor dem Parlament in Taipeh und warnten vor einem „Ausverkauf“ an China.

„Nur Wahlkampfhilfe für den Präsidenten“

Laut Umfragen favorisiert eine große Mehrheit der Taiwaner daher die oppositionelle Demokratische Fortschrittspartei (DPP). Sie propagiert zwar nicht die formelle Unabhängigkeit der Insel, setzt sich aber sehr viel mehr als die regierende KMT von der Führung in Peking ab. Die KMT genießt derzeit nur noch eine Zustimmung von unter 20 Prozent.

„Ein Treffen der beiden Führer auf beiden Seiten der Taiwan-Straße ist ein großartiges Ereignis und im Interesse von Taiwan“, sagte Taiwans Oppositionsführerin Tsai Ingwen von der DPP. Aber die Öffentlichkeit so hastig über ein solch großes Ereignis zu informieren – das schade Taiwans Demokratie, kritisierte sie. Ihr Sprecher ging noch weiter und bezeichnete das Treffen von Xi und Ma als „Wahlkampfhilfe für die Präsidentenpartei“.