Washington. Nordkorea verschafft sich beim Bau der WM-Stadien in Katar Dollar für seine Führung: Das Land schickt Arbeiter – und behält deren Lohn.

Vergleichsweise astronomische 120 Dollar Gehalt im Monat? Und das im Ausland, das für Millionen Landsleute ein nie erreichbarer Traum bleiben wird? Der nordkoreanische Schreiner Lee Soon Yung (Name geändert) zögerte nicht lange, als seine Vorgesetzten in Pjöngjang ihm einen Job in Kuwait anboten: Er kehrte der abgeschotteten und bitterarmen Heimat den Rücken. In der Wüste folgte das böse Erwachen. „12-Stunden-Schichten auf einer Großbaustelle. Sieben Tage die Woche. Ständig unter Beobachtung nordkoreanischer Aufpasser. Nur zwei Tage frei im Monat. Und der Lohn wurde nie gezahlt.“ Offenbar haben solche Fälle moderner Sklaverei Methode, wie sie nach der Flucht von Lee Soon Yung öffentlich wurden.

Um seine ausgetrocknete Devisen-Kasse aufzufüllen, schickt das kommunistische Regime von Diktator Kim Jong-un nach Angaben der Vereinten Nationen jährlich über 50 000 Zwangsarbeiter ins Ausland. Diese Zahl legte der UN-Sonderberichterstatter für Nordkorea, Marzuki Darusman, am Donnerstag in New York vor.

Die meisten Zwangsarbeiter in China und Russland

Der frühere Staatsanwalt aus Indonesien berichtete, dass die Menschen zur Zwangsarbeit in mehr als ein Dutzend Staaten geschickt werden, die meisten nach China und Russland. Aber auch nach Malaysia, Myanmar oder Kambodscha. Nach Angola, Äthiopien sowie Nigeria. Und auf die arabische Halbinsel, wo sie etwa dabei helfen müssten, die Stadien für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 fertigzustellen.

Leere Ränge bei einem Spiel von Katars Nationalmannschaft im Al Sadd Stadion in Doha. Beim Bau der neuen Stadien sind nach Un-Angaben auch Zwangsarbeiter aus Nordkorea im Einsatz. Eine Firma wurde gelobt, weil sie die Zusammenarbeit beendete.
Leere Ränge bei einem Spiel von Katars Nationalmannschaft im Al Sadd Stadion in Doha. Beim Bau der neuen Stadien sind nach Un-Angaben auch Zwangsarbeiter aus Nordkorea im Einsatz. Eine Firma wurde gelobt, weil sie die Zusammenarbeit beendete. © dpa | Str

Laut Darusman werden die Nordkoreaner vor allem auf dem Bau, im Bergbau und in der Holz- oder Textilindustrie eingesetzt. Über die jeweiligen Arbeitsverträge, die zentral von Pjöngjang ausgehandelt sind, werden die Betroffenen nicht informiert. Der versprochene Lohn, im Schnitt zwischen 110 und 135 Euro Lohn, fließt meist direkt in die Kasse der nordkoreanischen Führung. Dabei kommen laut UN gewaltige Summen zusammen: jährlich bis zu 2,3 Milliarden US-Dollar (cirka 2,1 Milliarden Euro).

Darusman erklärte vor Journalisten, dass Firmen, die unter den geschilderten Bedingungen Nordkoreaner einstellen, sich zu „Komplizen in einem inakzeptablen System der Zwangsarbeit machen“. Er rief insbesondere China und Russland dazu auf, regulierend einzugreifen.

Kim Jong-un soll Zwangsarbeit ausgeweitet haben

Darusman legt seit fünf Jahren regelmäßig Berichte über die katastrophale Menschenrechtslage in Nordkorea vor. Das Regime hat seine Vorwürfe stets als „erfunden“ zurückgewiesen und erbetene Einreisewünsche abgelehnt. Darusmans Versuche, über den UN-Sicherheitsrat den Internationalen Strafgerichtshof anzurufen, werden wenig Chancen eingeräumt. Der Grund sei das voraussichtliche Veto Chinas, hieß es in New York.

Asien-Experten in Washingtoner Denkfabriken sagten auf Anfrage, dass Nordkorea schon seit langem Zwangsarbeit praktiziere. Allerdings sei das Programm im Ausland unter Kim Jong-un erheblich ausgeweitet worden. Mit den Devisen würden neben Luxus-Artikel für den Diktator und seine Entourage unter anderem Bau-Teile finanziert, die Nordkorea für sein atomares Raketenprogramm benötige und andernfalls nicht bezahlen könne.

Firma entließ Nordkoreaner aus Protest

Das „Korea Policy Research Center“ in Seoul geht davon aus, dass heute über 100 000 Nordkoreaner zu unzumutbaren Bedingungen im Ausland arbeiten müssen. UN-Berichterstatter Darusman lobte am Donnerstag aber auch: Er führte beispielhaft eine namentlich nicht benannte Firma in Katar. Sie hatte 90 nordkoreanische Arbeiter entlassen – aus Protest gegen das von Aufpassern durchgesetzte drakonische Arbeitspensum.