Berlin/Wien. Die CSU setzt die Koalition in der Flüchtlingskrise unter Druck und droht mit dem Bruch. Nie war die Stimmung in Berlin schlechter.

Offene Drohungen, Gerüchte über den Koalitionsbruch: Die dramatische Situation an der deutsch-österreichischen Grenze setzt die große Koalition in Berlin unter immer größeren Druck. Führende CSU-Politiker forderten am Donnerstag, sich beim Treffen der Koalitionsspitzen am Wochenende auf weitreichende Veränderungen zu einigen. Ohne Beschlüsse zur Begrenzung der Zuwanderung will Bayern über eigene Maßnahmen nachdenken. CSU-Chef Horst Seehofer hat gar einen Rückzug der drei Bundesminister seiner Partei nicht ausgeschlossen. Damit sind Alexander Dobrindt (Verkehr), Christian Schmidt (Landwirtschaft) und Gerd Müller (Entwicklung) gemeint. Die Koalition, die erst vor zwei Jahren ihre Arbeit antrat, steckt in einer Krise.

In ruhigeren Zeiten wäre solch eine schroffe Drohung belächelt worden. Doch jetzt bemühen sich die Koalitionspartner schnell um sachlichere Töne. CDU-Bundesvize Julia Klöckner befürchtet kein Auseinanderbrechen des Bündnisses. „Ich glaube, da gab es schon andere Herausforderungen in unserem Land“, sagte sie am Donnerstag im ZDF. Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) geht nicht von einem Bruch der Koalition aus. „Wir müssen das jetzt miteinander schon gemeinsam durchstehen." Die Bemühungen, die Länder etwa durch schnellere Asylverfahren zu entlasten, seien auf gutem Weg.

CSU übt Druck auf Koalition aus

Doch die CSU hält den Druck auf die Koalitionspartner aufrecht. Mit Blick auf das Spitzengespräch am Wochenende sagte Seehofer, man sei juristisch und politisch auf alles vorbereitet. Er will in seinem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel einen grundlegende Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik erreichen.

Minimum sei eine Einigung auf die Einrichtung von Transitzonen an den Grenzen, um Asylanträge zu prüfen, sagte der CSU-Politiker und innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer. Zudem müssten Menschen zurückgewiesen werden, die kein Recht auf Asyl hätten, keine Angaben zur ihrer Herkunft machten, aus sicheren Herkunftsstaaten kämen oder über sichere Drittstaaten eingereist seien.

Deutsche Politiker kritisieren Österreich

Grund für die Drohgebärden ist die Verärgerung der CSU über die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Seehofer hatte sie mehrfach kritisiert und die Kanzlerin aufgefordert, mit Österreich zu reden.

Aus Österreich kommen jeden Tag unzählige Busse mit Flüchtlingen in Bayern an. Am Donnerstag kamen erneut Tausende über die deutsch-österreichische Grenze in den Freistaat. Die Bundespolizei rechnete bis zum Abend mit rund 6500 Neuankömmlingen und damit ebenso vielen wie am Vortag. Allein etwa 2000 Menschen erreichten bis zum Nachmittag die Grenzübergänge in der Region Passau und den Übergang Wegscheid etwa 35 Kilometer weiter östlich. Das sagte Frank Koller von der Bundespolizei in Freyung. „Es ist ein stetiger Zulauf.“ Die österreichischen Behörden hätten bis zum Abend je 40 Busse mit Flüchtlingen für Wegscheid und Achleiten angekündigt. Hinzu komme der Bahnverkehr. In der Nacht zu Donnerstag mussten viele Flüchtlinge, darunter viele Kinder, stundenlang ausharren, bis sie in Unterkünfte gebracht werden konnten. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt erlitten mehrere Unterkühlungen.

Die bayerische Landesregierung und Bundesinnenminister Thomas de Maizière(CDU) hatten von Österreich eine bessere Koordinierung gefordert. Die Alpenrepublik selbst sieht sich einem Ansturm von Flüchtlingen aus Slowenien ausgesetzt und weist die Kritik aus Deutschland zurück. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sagte den „Oberösterreichischen Nachrichten", es würden keine Flüchtlinge nach Deutschland geschickt. Die Bundesrepublik sei vielmehr das erklärte Ziel der Migranten, weil sie sich dort eingeladen fühlten.

Lage der Menschen in Bayern müsse erträglicher werden

Die bayerische Sozialministerin Emilia Müller forderte, der Kontakt zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem österreichischen Kollegen Werner Faymann müsse intensiver werden. Das Treffen der Chefs von CDU, CSU und SPD am Sonntag müsse Entscheidungen bringen, die die Lage der Menschen in Bayern erträglicher machten. Es gehe um "Realpolitik und nicht um Wunschdenken".

Merkel setzte derweil ihre internationalen Bemühungen für den Kampf gegen Fluchtursachen fort und bat bei einem Besuch in Peking die chinesische Regierung um Mithilfe. Die Volksrepublik könne ihren großen Einfluss in Afghanistan und Pakistan, aber auch bei der Lösung des Syrien-Konflikts geltend machen. Aus diesen Ländern kommen viele Flüchtlinge in die EU.

Die nicht zur Union zählenden Staaten Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Albanien und Bosnien-Herzegowina wollen Deutschland bei Abschiebungen unterstützen. Aus dem Auswärtigen Amtes verlautete, die Staaten seien bereit, in Deutschland ausgestellte Übergangsdokumente anstelle echter Pässe zu akzeptieren.