Berlin. Der homosexuelle Vatikan-Geistliche, der nach seinem Coming-out alle Ämter verlor, erhebt in einem Brief an den Papst schwere Vorwürfe.

Die Kirche mache für Millionen homosexueller Katholiken das Leben „zur Hölle“. Dabei sei doch der Klerus selbst „voller Homosexueller“. So steht es in einem Schreiben, das der ehemalige hochrangige Geistliche Krzysztof Charamsa an Papst Franziskus geschickt hat. Die Amtskirche sei verantwortlich für das „unermessliche Leid“ der Betroffenen und ihrer Familien, beklagt er. Charamsa hatte Anfang Oktober erklärt, schwul zu sein und war auf einer Pressekonferenz gemeinsam mit seinem Partner aufgetreten.

„Homophobischer Hass“

Der 43-Jährige Pole wurde daraufhin umgehend von seinem Amt in der Glaubenskongregation des Vatikans abgezogen. Erst kürzlich verlor Charamsa auch sein Priesteramt. Er darf nun nicht mehr die heilige Messe feiern und keine Sakramente mehr spenden.

In dem Schreiben, aus dem die britische BBC auf ihrer Internetseite zitiert, beschuldigt Charamsa die katholische Kirche, sie verweigere in ihrem „homophobischem Hass“ Schwulen und Lesben die Menschenrechte. Er selbst könne „die Stigmatisierung von Menschen wie ich“ nicht länger ertragen. Er ruft zudem „alle schwulen Kardinäle, Bischöfe und Priester auf, den Mut aufzubringen, diese gefühllose, unfaire und brutale Kirche“ zu verlassen.

Franziskus soll Benedikts Instruktion zurückziehen

Gleichzeitig dankt Charamsa in dem Brief dem Papst für einige positive Worte und Gesten gegenüber Homosexuellen. Franziskus hatte zuletzt bei seinem USA-Besuch einen schwulen Ex-Studenten von ihm getroffen, und er hatte gefordert, schwule Menschen in der Gesellschaft nicht zu marginalisieren. Gleichzeitig fordert der Ex-Priester den Pontifex auf, ein von seinem Vorgänger Benedikt XVI. verabschiedetes Dokument zu annullieren.

In dieser Instruktion an die Bischöfe aus dem Jahr 2005 heißt es, „dass die Kirche – bei aller Achtung der betroffenen Personen – jene nicht für das Priesterseminar und zu den heiligen Weihen zulassen kann, die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte homosexuelle Kultur unterstützen“. Der Ex-Geistliche bezeichnete eine Aussage Benedikts als „teuflisch“, wonach Homosexualität „eine starke Tendenz in Richtung eines wesenhaften Bösen“ sei.

Keine neuen Signale bei der Synode

Charamsas Outing hatte auch deshalb für Aufregung gesorgt, weil er seine Homosexualität zum Start der Bischofssynode der katholischen Kirche öffentlich gemacht hatte. Bei der Synode hatten fast 300 Bischöfe aus aller Welt bis vorigen Sonntag im Vatikan drei Wochen lang über strittige Themen diskutiert. Das heikle Thema des Umgangs mit Homosexuellen wurde allerdings in dem Abschlussbericht nur am Rande erwähnt. Neue Signale gab es nicht.

Auch eine Reaktion aus dem Vatikan auf das Schreiben Charamsas ist nicht bekannt. Die BBC kommentiert trocken: „Papst Franziskus hat bisher nicht geantwortet.“