Berlin. Die Regierungsfraktionen fordern vor einer Abstimmung über TTIP im Bundestag mehr Informationen. EU-Chef Juncker unterstützt das.

Die Fraktionen von Union und SPD haben die Forderung von Bundestagspräsident Norbert Lammert nach mehr Transparenz bei den Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen unterstützt. Wenn der Bundestag über TTIP abstimmen solle, müssten die Parlamentarier „in jedem Stadium der Verhandlungen Akteneinsicht bekommen können“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, unserer Redaktion.

Die Abgeordneten müssten wissen, was im Einzelnen zwischen den USA und der EU-Kommission verhandelt werde. „Es kann nicht sein, dass nur einer unserer Abgeordneten – der Koordinator für die transatlantischen Beziehungen – direkten Zugang zu den Akten hat.“ Damit werde der Bundestag schlechter behandelt als das Europaparlament. Von den Straßburger Abgeordneten kann ein Kreis von Berichterstattern und Koordinatoren die Dokumente einsehen.

Lambrecht: Abgeordnete können ohne Akteneinsicht nicht abstimmten

Ähnlich formulierte es die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Christine Lambrecht. „Die Abgeordneten können nur schwer über etwas abstimmen, wenn sie die Grundlagen dafür nie einsehen konnten, geschweige denn die Möglichkeit bestand, Änderungen vorzuschlagen“, sagte Lambrecht unserer Redaktion. „Die Amerikaner müssen ihre harte Haltung ändern. Ein ernsthafter Diskurs über TTIP setzt Transparenz voraus.“

Lammert hatte zuvor mit einem Nein zu TTIP im Bundestag gedroht. „Ich halte es für ausgeschlossen, dass der Bundestag einen Handelsvertrag zwischen der EU und den USA ratifizieren wird, dessen Zustandekommen er weder begleiten noch in alternativen Optionen beeinflussen konnte“, hatte der CDU-Politiker unserer Redaktion gesagt. Mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sei er sich einig, dass die relevanten Verhandlungsdokumente, insbesondere Ergebnisse im Verhandlungsprozess, „allen Mitgliedstaaten der EU und dort neben den Regierungen auch den Parlamenten zugänglich sein müssen“, so Lammert.

Juncker will USA „nachdrücklich ersuchen“

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unterstützt die Forderung von Lammert nach mehr Transparenz. Der Zugang zu den gemeinsamen Dokumenten der EU und der USA stelle „weiterhin eine Herausforderung in der Praxis“ dar, heißt es in einem Schreiben von Juncker an Lammert vom 22. September, das unserer Redaktion vorliegt. Die Kommission werde die Vereinigten Staaten „nachdrücklich ersuchen, sie bei ihren Bemühungen um mehr Transparenz in der Handelspolitik zu unterstützen“.

TTIP-Gegner, darunter Gewerkschaften sowie Umwelt- und Menschenrechtsgruppen, fürchten eine Absenkung europäischer Schutzstandards und mehr Möglichkeiten für Großkonzerne, ihre Interessen durchzusetzen. Befürworter erhoffen sich dagegen Impulse auf beiden Seiten des Atlantiks für Wachstum und Beschäftigung.