Dresden. Die Islamfeinde von Pegida demonstrieren weiter zu Tausenden. Der Protest ist gering. Trotzdem wächst die Sorge in Sachsen.

Der 19 Jahre alte Minho blickt durch seine Brille mit den dicken Rändern und knipst los. Seine Kamera hat er auf ein Stativ gestellt. Minho kommt aus Südkorea, und gerade reist er für ein paar Monate quer durch Europa. Die Kultur kennenlernen, die Menschen, die Politik. Und weil ihm in Berlin jemand von Pegida erzählt hat, steht er heute auch auf dem Theaterplatz in der Dresdner Innenstadt, etwas abseits hinter der Rednerbühne.

Es ist wieder Montag. Also zieht das Pediga-Bündnis wieder los. Mehrere Tausend sind es auch diesmal. Wütende, Frustrierte, Verängstigte, Nationale, Islamfeinde und Rassisten. Die meisten sagen über sich selbst, sie seien „einfach nur Bürger mit Sorgen, die von der Politik nicht ernst genommen werden“.

Neonazis marschieren mit

Durch den Anstieg der Flüchtlingszahlen in den vergangenen Monaten, bekommt die Bewegung wieder Zulauf. Und sie radikalisiert sich. Verbal auf der Rednerbühne – und in der Masse davor. Neonazi-Gruppen und Hooligans mischen sich unter die Demonstranten. Staatsanwälte ermitteln gegen einen Mann, der vor zwei Wochen eine Galgenattrappe für Kanzlerin Merkel und Vize-Kanzler Gabriel hochhielt. Der Publizist und Populist Akif Pirinçci hielt vergangene Woche eine rassistische Hetzrede. Viele Anhänger jubelten ihm zu. Bis es offenbar selbst ihnen zu viel wurde. Manche riefen: Aufhören!

Während anderenorts die Gegendemonstranten in der Mehrheit sind, ist Pegida hier so groß wie nirgendwo sonst. Und Minho, der Südkoreaner im Studenten-Look, hört ihre Rufe, auch wenn er sie nicht versteht. Lügenpresse, Volksverräter, Merkel muss weg. Minho sieht ihre Plakate und die Deutschland-Fahnen. „Sie sehen so stolz auf sich selbst aus“, sagt er. „Sie sehen aber auch ein bisschen tragisch aus.“

Diffuse Motive für den Hass

Auch an diesem Montag tritt ein Publizist auf. Baal Müller, der für die rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ schrieb, warnt vor dem „Niedergang des deutschen Volkes“ und davor, dass Deutsche „Opfer fremdstämmiger Gewalt“ würden. Die Dresdner auf dem Theaterplatz jubeln.

Politologen weisen darauf hin, wie diffus die Motive für Hass und Angst bei Pegida sind. Dazu gehörten persönliche Probleme etwa im Job ebenso wie Unbehagen über Asylpolitik. Dabei liegt der Ausländeranteil in Sachsen bei nur gut zwei Prozent, und die Beschäftigung ist auf Rekordniveau. Politiker fast aller Parteien verurteilen die Bewegung scharf. Justizminister Heiko Maas gab den Demonstranten mit Schuld an den Übergriffen gegen Fremde, die in diesem Jahr stark angestiegen sind. „Wer da mitmacht, trägt auch moralische Verantwortung für die Taten, die auf diese radikale Hetze folgen“, sagte der SPD-Politiker der „Bild“-Zeitung. Ein Verbot der Kundgebungen lehnte Maas dagegen ab. Die Meinungsfreiheit schütze auch „hässliche Meinungen“.

Pegida schadet dem Image Sachsens

Doch in Sachsen wächst die Angst. Allerdings nicht auf Seiten der Islamfeinde – sondern bei Regierenden und Unternehmen. Denn seit Monaten geht von Sachsen das Bild von Hetze und menschenverachtenden Plakaten durch die Medien. Sachsen ist eine Hochburg von Gewalt gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte. Wirtschaftswissenschaftler etwa vom Leibnitz-Institut in Halle warnen: Über Jahre dürfte Sachsen als wenig attraktiver Standort im Ausland wahrgenommen werden.

Als die Pegida-Anhänger an diesem Montag durch die Straßen Dresdens laufen, applaudieren ihnen ein paar Menschen. Andere rufen: „Haut ab!“ oder „Rassisten!“. Die meisten Dresdner schauen einfach nur zu. „Is halt so“, sagt eine Frau vor einer Apotheke.

Pegida: Chronik einer Bewegung

Am 20. Oktober 2014 hat die erste Demonstration der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) in Dresden stattgefunden. In einer Chronik stellen wir die wichtigsten Stationen der Bewegung dar:
Am 20. Oktober 2014 hat die erste Demonstration der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) in Dresden stattgefunden. In einer Chronik stellen wir die wichtigsten Stationen der Bewegung dar: © dpa | Bernd Settnik
27. Oktober 2014: Bei der zweiten Demonstration erscheinen etwa 500 Teilnehmer. Die Demonstrationen werden auch als „Abendspaziergänge“ beworben und finden bewusst montags statt, dem Tag der „Montagsdemonstrationen“ im Vorlauf des Mauerfalls, bei denen DDR-Bürger gegen das SED-Regime demonstrierten.
27. Oktober 2014: Bei der zweiten Demonstration erscheinen etwa 500 Teilnehmer. Die Demonstrationen werden auch als „Abendspaziergänge“ beworben und finden bewusst montags statt, dem Tag der „Montagsdemonstrationen“ im Vorlauf des Mauerfalls, bei denen DDR-Bürger gegen das SED-Regime demonstrierten. © imago/Sven Ellger | imago/Sven Ellger
3. November 2014: Bei der Demonstration Anfang November gibt es eine Gegendemonstration, die von Teilen der Antifaschistischen Bewegung unterstützt wird. Von diesem Datum an kommt es zu regelmäßigen Gegendemonstrationen. Zu der Pegida-Demo kommen rund 800 Teilnehmer.
3. November 2014: Bei der Demonstration Anfang November gibt es eine Gegendemonstration, die von Teilen der Antifaschistischen Bewegung unterstützt wird. Von diesem Datum an kommt es zu regelmäßigen Gegendemonstrationen. Zu der Pegida-Demo kommen rund 800 Teilnehmer. © imago/Sven Ellger | imago/Sven Ellger
10. November 2014: Erstmals kommen mehr als 1000 Teilnehmer zu einer Demonstration von Pegida. Rund 1500 sind es nach Angaben von Beobachtern. (Hier ein weiteres Bild aus der Vorwoche)
10. November 2014: Erstmals kommen mehr als 1000 Teilnehmer zu einer Demonstration von Pegida. Rund 1500 sind es nach Angaben von Beobachtern. (Hier ein weiteres Bild aus der Vorwoche) © imago/Robert Michael | imago/Robert Michael
8. Dezember 2014: In Düsseldorf versammeln sich fremdenfeindliche Demonstranten zu einer Veranstaltung in Anlehnung an Pegida. Mit rund 400 Teilnehmern ist es der erste nennenswerte Ableger. In Würzburg und Kassel waren in den vorangegangenen Wochen nur ein Duzent beziehungsweise unter 100 Demonstranten erschienen. Dem Düsseldorfer Ableger „Dügida“ folgen weitere Gruppen in anderen Städten, die sich hauptsächlich über Facebook organisieren.
8. Dezember 2014: In Düsseldorf versammeln sich fremdenfeindliche Demonstranten zu einer Veranstaltung in Anlehnung an Pegida. Mit rund 400 Teilnehmern ist es der erste nennenswerte Ableger. In Würzburg und Kassel waren in den vorangegangenen Wochen nur ein Duzent beziehungsweise unter 100 Demonstranten erschienen. Dem Düsseldorfer Ableger „Dügida“ folgen weitere Gruppen in anderen Städten, die sich hauptsächlich über Facebook organisieren. © imago/Reichwein | imago/Reichwein
18. Dezember 2014: In einem Beitrag der Sendung „Panorama“ in der ARD melden sich erstmals Teilnehmer einer Demonstration in Dresden zu Wort. Bis auf die Führungsriege hatten die Teilnehmer bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit den Medien gesprochen, lediglich die Parole „Lügenpresse“ skandiert. Die interviewten Demonstranten geben offen rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen von sich. Der erste Interviewpartner stellt sich später jedoch als Mitarbeiter von RTL heraus.
18. Dezember 2014: In einem Beitrag der Sendung „Panorama“ in der ARD melden sich erstmals Teilnehmer einer Demonstration in Dresden zu Wort. Bis auf die Führungsriege hatten die Teilnehmer bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit den Medien gesprochen, lediglich die Parole „Lügenpresse“ skandiert. Die interviewten Demonstranten geben offen rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen von sich. Der erste Interviewpartner stellt sich später jedoch als Mitarbeiter von RTL heraus. © BM | NDR
19. Dezember 2014: Pegida wird unter dem Namen „PEGIDA e.V.“ beim Amtsgericht Dresden unter dem Registerzeichen VR 7750 als Verein eingetragen. Am 19. März 2015 wird zudem der „PEGIDA Förderverein e.V.“ in Dresden gegründet.
19. Dezember 2014: Pegida wird unter dem Namen „PEGIDA e.V.“ beim Amtsgericht Dresden unter dem Registerzeichen VR 7750 als Verein eingetragen. Am 19. März 2015 wird zudem der „PEGIDA Förderverein e.V.“ in Dresden gegründet. © BM | Facebook
18. Januar 2015: Kathrin Oertel, Pressesprecherin und Gründungsmitglied von Pegida, tritt in der Talkshow „Günther Jauch“ auf.
18. Januar 2015: Kathrin Oertel, Pressesprecherin und Gründungsmitglied von Pegida, tritt in der Talkshow „Günther Jauch“ auf. © imago/Müller-Stauffenberg | imago/Müller-Stauffenberg
Der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, lädt das Führungsteam von Pegida zu einem Gespräch mit anschließender Pressekonferenz. Auslöser für die Pressekonferenz sind unter anderem Terrordrohungen gegen die geplante Demonstration, die aus Sicherheitsgründen abgesagt wurde.
Der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, lädt das Führungsteam von Pegida zu einem Gespräch mit anschließender Pressekonferenz. Auslöser für die Pressekonferenz sind unter anderem Terrordrohungen gegen die geplante Demonstration, die aus Sicherheitsgründen abgesagt wurde. © imago/Max Stein | imago/Max Stein
21. Januar 2015: Die Dresdener Staatsanwaltschaft leitet gegen Lutz Bachmann ein Verfahren wegen Volksverhetzung ein. Zuvor waren Facebook-Einträge des Pegida-Gründers aufgetaucht, in denen er Migranten als „Gelumpe“ und Viehzeug“ bezeichnet hatte. Bachmann tritt daraufhin als Vereinsvorsitzender zurück. Im Oktober 2015 wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Bachmann erhoben hat.
21. Januar 2015: Die Dresdener Staatsanwaltschaft leitet gegen Lutz Bachmann ein Verfahren wegen Volksverhetzung ein. Zuvor waren Facebook-Einträge des Pegida-Gründers aufgetaucht, in denen er Migranten als „Gelumpe“ und Viehzeug“ bezeichnet hatte. Bachmann tritt daraufhin als Vereinsvorsitzender zurück. Im Oktober 2015 wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Bachmann erhoben hat. © imago/Max Stein | imago/Max Stein
26. Januar 2015: In Dresden findet an diesem Montag keine Pegida-Demonstration statt. Stattdessen stehen prominente Musiker wie Herbert Grönemeyer, die Band Silly und Jan Josef Liefers gegen Fremdenfeindlichkeit auf der Bühne.
26. Januar 2015: In Dresden findet an diesem Montag keine Pegida-Demonstration statt. Stattdessen stehen prominente Musiker wie Herbert Grönemeyer, die Band Silly und Jan Josef Liefers gegen Fremdenfeindlichkeit auf der Bühne. © imago/epd | imago/epd
28. Januar 2015: Lutz Bachmann kündigt an, bei Pegida doch wieder aktiv werden zu wollen. Die Reaktion folgt sofort: Kathrin Oertel und fünf weitere Mitglieder des Organisationsteams treten aus dem Verein aus.
28. Januar 2015: Lutz Bachmann kündigt an, bei Pegida doch wieder aktiv werden zu wollen. Die Reaktion folgt sofort: Kathrin Oertel und fünf weitere Mitglieder des Organisationsteams treten aus dem Verein aus. © imago/Max Stein | imago/Max Stein
13. April 2015: Bei der Pegida-Kundgebung in Dresden tritt der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders auf. Etwa 10.000 Besucher kommen zu Wilders Auftritt.
13. April 2015: Bei der Pegida-Kundgebung in Dresden tritt der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders auf. Etwa 10.000 Besucher kommen zu Wilders Auftritt. © imago/Sebastian Willnow | imago/Sebastian Willnow
Im sächsischen Freital versammeln sich Neonazis zu teils gewalttätigen Protesten gegen den Ausbau eines Asylbewerberheims zur Erstaufnahmeeinrichtung. Pegida-Gründer Lutz Bachmann wirkt an der Mobilisierung mit und reist selbst nach Freital.
Im sächsischen Freital versammeln sich Neonazis zu teils gewalttätigen Protesten gegen den Ausbau eines Asylbewerberheims zur Erstaufnahmeeinrichtung. Pegida-Gründer Lutz Bachmann wirkt an der Mobilisierung mit und reist selbst nach Freital. © picture alliance / AP Photo | dpa Picture-Alliance / Jens Meyer
12. Oktober 2015: Nachdem die Besucherzahlen zwischenzeitlich zurückgegangen waren, kommen eine Woche vor dem Jahrestag der ersten Demo wieder etwa 9000 Teilnehmer zu der Demonstration. Mindestens ein Teilnehmer der Demonstration hält einen selbst gebastelten Galgen hoch mit der Aufschrift „Reserviert Siegmar „das Pack“ Gabriel“ sowie „Reserviert Angela „Mutti“ Merkel“. Die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig kritisiert bei Twitter die Aktion scharf, Justizminister Heiko Maas schreibt: „Volksverhetzung, Aufforderung zu Straftaten und Bedrohungen gehören nicht auf die Straße, sondern vor einen Richter.“ Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlung wegen des öffentlichen Aufrufes zu Straftaten, Androhung von Straftaten und Störung des öffentlichen Friedens augenommen.
12. Oktober 2015: Nachdem die Besucherzahlen zwischenzeitlich zurückgegangen waren, kommen eine Woche vor dem Jahrestag der ersten Demo wieder etwa 9000 Teilnehmer zu der Demonstration. Mindestens ein Teilnehmer der Demonstration hält einen selbst gebastelten Galgen hoch mit der Aufschrift „Reserviert Siegmar „das Pack“ Gabriel“ sowie „Reserviert Angela „Mutti“ Merkel“. Die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig kritisiert bei Twitter die Aktion scharf, Justizminister Heiko Maas schreibt: „Volksverhetzung, Aufforderung zu Straftaten und Bedrohungen gehören nicht auf die Straße, sondern vor einen Richter.“ Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlung wegen des öffentlichen Aufrufes zu Straftaten, Androhung von Straftaten und Störung des öffentlichen Friedens augenommen. © REUTERS | REUTERS / HANNIBAL HANSCHKE
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