Warschau. Sollten Stimmen fehlen, will sich PiS mit der Kukiz-Bewegung zusammentun. Aber auch eine Minderheitsregierung schließen sie nicht aus.

Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in Polen könnte eine Partnerschaft mit der populistischen Kukiz-Bewegung eingehen. Das sagte der Politiker Jaroslaw Gowin. Sollte sich herausstellen, dass ein paar Stimmen zur absoluten Mehrheit fehlten, sehe er Kukiz als ersten Partner. Die Bewegung wird vom ehemaligen Rockmusiker Paweł Kukiz angeführt.

Nach der Parlamentswahl in Polen liegen nur Prognosen vor. Danach hätte die PiS bei der Wahl am Sonntag 37,7 Prozent der Stimmen und 232 Abgeordnetenmandate erhalten. Damit hätte sie jedoch immer noch die absolute Mehrheit der insgesamt 460 Mandate und Spitzenkandidatin Beata Szydło könnte alleine regieren. Die bisherige liberalkonservative Regierungspartei Bürgerplattform kommt nach den Hochrechnungen auf 23,6 Prozent der Stimmen und 137 Sitze im neuen Parlament.

Gowin kann sich auch eine Minderheitsregierung vorstellen. Der Politiker führt die Partei Polen Zusammen, die mit der PiS gemeinsam den Wahlkampf führte. Er ist als künftiger Verteidigungsminister im Gespräch.

EU-kritische Parteien erzielen Gewinne

Seit Beginn der Prognosen am Sonntagabend wurde der Vorsprung der PiS immer kleiner. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass es für die Partei des früheren Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski nicht zur absoluten Mehrheit reicht.

Mit 8,7 Prozent der Stimmen und 42 Mandaten würde auch die Kukiz-Bewegung leicht einbüßen. Sie ist ebenso wie die PiS EU-kritisch und profilierte sich als populistische Anti-Establishment-Partei. Leichte Gewinne erzielte der neuen Hochrechnung zufolge die wirtschaftsliberale Partei Nowoczesna mit 7,7 Prozent der Stimmen und 30 Abgeordneten. Auf die Bauerpartei PSL entfallen nach IPSOS-Nachwahlbefragungen in 90 Prozent der Wahlkommissionen zufolge unverändert 18 Mandate oder 5,2 Prozent der Wählerstimmen.

Polen dürfte nach rechts rücken

Mit dem Wahlsieg der Nationalkonservativen dürfte Deutschlands Nachbar merklich nach rechts rücken. Nach Experteneinschätzungen könnte das das gute Verhältnis zu Deutschland auf eine Probe stellen. Es sei zu früh, Tendenzen abzusehen. Es könne aber sein, dass es künftig schwieriger werden würde, gemeinsame Positionen mit Polen zu entwickeln, sagte der Direktor des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt, Dieter Bingen. Schon bisher hätten Deutschland und Polen zum Beispiel in punkto Klimaschutz und Energie, aber auch in der Flüchtlingskrise unterschiedliche Positionen vertreten. Die Frage sei, ob die europaskeptischen Konservativen die grundsätzlich integrationsfreundliche Politik mit Deutschland innerhalb der Europäischen Union fortführen wollen.

Der Wahlsieg am Sonntag ist für Beata Szydło der zweite große Sieg in diesem Jahr. Im Mai hatte sie als Wahlkampfchefin dem PiS-Kandidaten Andrzej Duda zum Sieg bei den Präsidentenwahlen mit verholfen. Als Regierungschefin dürfte Szydło künftig auch die Rückendeckung des Präsidenten haben.

Die 52-jährige Bergarbeitertochter verkörpert eine neue Generation, einen neuen Stil in der PiS. Als Frau an der Spitze könnte sie für einige der traditionellen PiS-Wähler auf dem Land und in Kleinstädten des Südens und Ostens noch gewöhnungsbedürftig sein. Doch mit freundlich-sachlichem Auftreten mag es ihr gelungen sein, neue Wählerschichten zu mobilisieren – Wähler, die bei den beiden vorangegangenen Wahlen dem bisher dominierenden PiS-Vorsitzenden Jarosław Kaczyński lieber nicht die Stimme geben wollten.

Jarosław Kaczyński prägt weiter die Politik der Nationalkonservativen

Doch Kaczyński prägte auch am Sonntagabend die Parteibühne, gab den Kurs für das künftige Vorgehen vor: „Es wird keine Rache geben, keine persönlichen Abrechnungen mit denen, die unterlagen“, versprach er – ganz so, als sei Politik vor allem Kriegsführung.

Im Wahlkampf hatte sich der sonst so übergroße Parteichef lange zurück gehalten. Erst in den letzten Tagen polemisierte er wie zu alten Zeiten, etwa als er davor warnte, mit Flüchtlingen könnten Cholera und andere Krankheiten nach Polen eingeschleppt werden.

Die linksliberale polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza bezog dazu klar Stellung: „Bei dieser Wahl steht die Demokratie selbst auf dem Spiel. Ein Sieg der PiS kann sie bedrohen.“