Brüssel. Das Krisentreffen in Brüssel endet mit einem 17-Punkte-Plan. An der griechischen Grenze soll eine neue Frontex-Mission entstehen.

Mehr Unterkünfte für Flüchtlinge und verstärkte Grenzkontrollen: Die Regierungschefs wollen die Flüchtlingsströme auf der Balkanroute verlangsamen und das Leid der Schutzsuchenden lindern. Beim EU-Gipfel in Brüssel konnten sich die Chefs von zehn betroffenen EU-Ländern und den drei Nicht-EU-Staaten Mazedonien, Serbien und Albanien nach siebenstündigen Beratungen auf einen 17-Punkte-Plan einigen. „An der Westbalkanroute darf es nicht zu einer humanitären Tragödie kommen“, warnte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker während der stundenlangen Beratungen: „Die Menschen dürfen nicht in Regen und Kälte alleingelassen werden.“

Die wichtigsten Punkte der Schlusserklärung des Minigipfels:

- Auf der Balkanroute sollen 100.000 Aufnahmeplätze für Flüchtlinge geschaffen werden, davon 50.000 in Griechenland. Zudem soll das Land zusammen mit dem UN-Hilfswerks UNHCR 20.000 weitere Plätze ausbauen. Die anderen 50.000 Plätze sollen entlang der Balkanroute entstehen und vor allem als Ruheorte dienen. Wo sie entstehen sollen, wird nicht festgelegt.

- Nach Slowenien sollen innerhalb einer Woche 400 Grenzschützer entsendet werden.

- Migranten ohne Anspruch auf Asyl sollen schneller abgeschoben werden. Die Zusammenarbeit mit deren Herkunftsländern soll verstärkt werden, vor allem mit Afghanistan, Pakistan und anderen asiatischen Staaten.

- Innerhalb der nächsten 24 Stunden soll ein Kontaktnetz zur Information über Migrationsbewegungen aufgebaut werden.

- Europol und Interpol sollen auf dem Westbalkan aktiv sein.

- Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll an der bulgarisch-türkischen Grenze verstärkt werden. Neue Frontex-Einsätze an den Grenzen Griechenlands zu Mazedonien und Albanien sollen aufgebaut werden.

Obwohl sich die Regierungschefs auf wichtige Punkte einigen konnten, war die Stimmung bei dem Sondertreffen angespannt. Seit Wochen weisen sich die Länder der Region gegenseitig die Schuld zu - so auch in Brüssel. „Jeder ist versucht zu sagen, jemand anders ist Schuld“, sagte ein Diplomat am Rande der Gespräche. „Das müssen wir stoppen.“

Angela Merkel forderte Gespräche mit der Türkei

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem „wichtigen Treffen dahingehend, dass humanitäre Fragen einer Erklärung zugeführt werden konnten“. Es gebe ein „koordinierteres Management“, sagte die Kanzlerin. „Dazu haben sich jedenfalls alle verpflichtet.“ Merkel warnte allerdings, das Treffen sei nur „ein Baustein“ für eine Lösung. „Nicht lösen können wir das Flüchtlingsproblem insgesamt. Da bedarf es unter anderem natürlich weiterer Gespräche mit der Türkei.“

Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vučić äußerte am Abend wenig Hoffnung auf rasche Fortschritte. „Aber ich bin sicher, dass wir uns wenigstens gegenseitig verstanden haben“, sagte er.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker malte ein düsteres Bild der Lage auf der Balkanroute: „Es kann nicht sein, dass im Europa (des Jahres) 2015 Menschen sich selbst überlassen werden, dass sie auf dem Feld schlafen und bei eiskalten Temperaturen bis zur Brust durch Flüsse waten.“ Merkel sagte: „Wir sind alle humanitären, menschlichen Werten verpflichtet. Und die Bilder, die wir in den letzten Tagen gesehen haben, haben dem nicht entsprochen, was unsere Werte sind.“

Warnungen vor dem Ende der EU

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sieht sein Land, das sich mit Grenzzäunen zu Serbien und Kroatien abgeriegelt hat, nur noch als „Beobachter“ der Flüchtlingskrise. „Ungarn liegt nicht mehr auf der Route“, sagte er. Transitstaaten wie Bulgarien, Rumänien und Serbien drohen ebenfalls mit der Schließung der Grenzen.

Sloweniens Regierungschef Miro Cerar warnte vor dem Ende der EU, wenn Europa die Krise nicht in den Griff bekomme: „Europa steht auf dem Spiel, wenn wir nicht alles tun, was in unserer Macht steht, um gemeinsam eine Lösung zu finden.“ In den vergangenen zehn Tagen seien in seinem Land mehr als 60 000 Flüchtlinge angekommen. Umgerechnet auf ein großes Land wie Deutschland entspräche dies einer halben Million Ankömmlinge in Deutschland pro Tag.

UN-Flüchtlings-Hochkommissar Antonio Guterres forderte: „Das Ziel ist es, ein System zu schaffen, in dem jene, die Schutz in Europa brauchen, sich nicht in die Hände von Schmugglern geben müssen.“ Es müsse mehr legale Einwanderungsmöglichkeiten geben und eine Umverteilung von den europäischen Außengrenzen in alle anderen EU-Staaten.

Insgesamt waren in Brüssel die zehn EU-Länder Deutschland, Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Luxemburg und die Niederlande vertreten sowie die Nicht-EU-Länder Mazedonien, Serbien und Albanien.