Berlin. Merkel im Tschador, Minarette über dem Reichstag – und das in der ARD. Eine provokante Fotomontage sorgt für Ärger.

Der sonntägliche „Bericht aus Berlin“ am frühen Abend ist eigentlich keine schlagzeilenträchtige Sendung. Die ARD liefert Hintergründe und Interviews zum Geschehen in der Hauptstadt; eigene Nachrichten produziert die Redaktion eher selten. Seit Sonntag steht die Sendung nun selbst im Feuer. Grund dafür ist eine Hintergrundgrafik, mit der Moderator Rainald Becker die Zuschauer auf einen Beitrag zur Flüchtlingskrise einstimmte: Die Bundeskanzlerin, in einen schwarzen muslimischen Tschador gehüllt, dahinter das Reichstagsgebäude, aus dem Minarett-Türme zu wachsen scheinen.

Ähnliches Motiv wie bei Pegida

Eine Provokation? Satire, Ironie? Oder journalistische Zuspitzung? Immerhin erntet die Kanzlerin seit Wochen für ihre vergleichsweise offene Haltung gegenüber dem Flüchtlingszustrom scharfe Kritik. Dumm nur für die ARD: Mit genau den gleichen Fotomontage-Motiven ziehen in diesen Wochen die Islamfeinde und Rechtspopulisten von Pegida und Co. durch die Straßen: Merkel als vermeintliche Muslimin, Deutschland unter den Halbmond des Islam.

Die Kritik an der ARD folgte auf dem Fuße – zuerst in den sozialen Netzwerken. „Bildrhetorik der NPD/AfD/Pegida – Das ist kein konstruktiver Journalismus. Pfui.“ hieß es dort beispielsweise. Auf der Facebook-Seite der Sendung, ansonsten nicht eben ein Ort ausufernder Debatten, herrschte reger Betrieb. Kritiker und Verteidiger der Freiheit der Satire schenkten sich nichts.

„Zusätzliche Ängste geschürt“

Nun ist der „Fall“ auch im politischen Berlin angekommen. „Statt mit Aufklärung zur Entspannung beizutragen, werden zusätzlich Ängste geschürt. Denn weder findet der ,Untergang des Abendlandes’ statt, wie diese Hintergrundgestaltung unterstellt, noch wollen Muslime hier die Macht übernehmen“, erklärte Harald Petzold, Medienexperte der Linkspartei im Bundestag, gegenüber dieser Redaktion. Und: „Satirische Zuspitzung darf (fast) alles - Kritik daran aber auch.“

Auch bei den Grünen regt sich jetzt Kritik an der ARD. „Medien dürfen provokant sein, um wichtige gesellschaftliche Themen in die Diskussion zu bringen, dazu gehört auch ein zuspitzender Bericht oder Bebilderung. Allerdings haben wir durch die Flüchtlingszuwanderung gerade eine äußerst sensible Situation, in der leicht Ressentiments geschürt werden können und hier tragen die Medien auch eine wichtige Verantwortung“, so die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Tabea Rößner. „Die ARD sollte sich hier selbstkritisch fragen, ob nicht angesichts der Reaktionen der Schuss nach hinten losgegangen ist.“

CDU-Politikerin stellt sich hinter ARD

Unterstützung erhielt die „Bericht-aus-Berlin“-Redaktion von Seiten der CDU. „Viele Menschen sehen Unterschiede zwischen Wirklichkeit und Medienwirklichkeit. Dass über die Rolle der Medien in der Flüchtlingskrise diskutiert wird, ist deshalb gut und richtig“, betonte Unions-Medienpolitikerin Astrid Freudenstein auf Anfrage. Und weiter: „Der Bericht aus Berlin hat diese Diskussion jetzt mit der zugespitzten Grafik, den Bildern und der Moderation angefeuert - das ist das gute Recht einer freien Presse.“

„Das Ziel war es, zu polarisieren“

Beim Sender selbst hält man sich zurück. In einer kurzen Stellungnahme auf der Facebook-Seite des „Berichts aus Berlin“ heißt es lediglich, man freue sich „über die zahlreiche Kritik“. Und weiter: „Natürlich war es auch das Ziel, mit dieser Grafik Aufmerksamkeit zu schaffen und zu polarisieren.“ Man halte jedenfalls „diese zugespitzte Darstellungsform für legitim“. Von möglichen personellen Konsequenzen ist dort nicht die Rede. Die FAZ kommentierte süffisant: „Dass es in ARD-Führungskreisen und im Hauptstadtstudio angeregte Diskussionen gab, davon kann man wohl ausgehen.“ Immerhin ist der Moderator der Sendung vom Sonntag, Rainald Becker, designierter Chefredakteur der ARD.