Beide Länder fordern außerdem eine globale Steuer auf Finanztransaktionen. Sie seien entschlossen, mit einer Stimme zu sprechen.

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy haben sich gemeinsam für eine europäische “Wirtschaftsregierung“ aus allen 27 EU-Staaten ausgesprochen. Zugleich soll es im „Bedarfsfall“ die Möglichkeit von Sondertreffen der 16 Staaten geben, die bereits den Euro haben.

Damit versuchen die beiden engsten europäischen Partner vor dem nächsten EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel, einen Streit ums richtige Vorgehen gegen künftige Finanz- und Wirtschaftskrisen zu vermeiden. Merkel sagte nach einem Treffen mit Sarkozy am Montagabend im Kanzleramt, die 27 Mitglieder der Europäischen Union müssten sich als „eine Art Wirtschaftsregierung“ verstehen. „Nur so können wir Europa mit den Schwächen, die wir heute noch haben, nach vorne bringen.“ Es dürfe keine „Mitglieder erster und zweiter Klasse“ geben. Sarkozy ergänzte: „Wir müssen pragmatisch vorgehen. Wir haben beide einen Schritt auf den anderen zugetan.“

Zuvor hatte Frankreichs Präsident für eine Wirtschaftsregierung nur aus den 16 Euro-Staaten plädiert, die auch ein eigenes Generalsekretariat bekommt. Ebenso wie Merkel sagte er nun, es gehe nicht um die „Schaffung neuer Institutionen“, sondern um die Möglichkeit, „pragmatische Treffen schnell zusammenzurufen“. Die CDU- Chefin betonte, gebraucht werde „eine stärkere Wirtschaftsregierung, als wir sie bisher haben“. Vom Ziel, weltweit wichtigster Wirtschaftsraum zu sein, sei die EU heute leider weit entfernt.

Einig zeigten sich beide Seiten auch darin, dass Euro-Staaten, die häufiger gegen das 3-Prozent-Defizitkriterium des Maastricht-Vertrags verstoßen, künftig vorübergehend das Stimmrecht entzogen werden soll. Merkel sagte: „Wir brauchen Verträge mit Zähnen, um die Stabilitäts- und Wachstumskultur durchzusetzen.“ Dies richtet sich zum Beispiel gegen Staaten wie Griechenland.

Ursprünglich hätte das Treffen von Kanzlerin und Präsident bereits am vergangenen Montag stattfinden sollen. Die kurzfristige Absage löste zahlreiche Spekulationen über eine Verstimmung zwischen Berlin und Paris aus.Beide Seiten waren jedoch bemüht, einem solchen Eindruck entgegenzutreten. Die Begegnung im Kanzleramt diente auch der Vorbereitung anderer internationaler Gipfeltreffen, die in den nächsten Wochen anstehen.

Merkel sagte nach dem eineinhalbstündigen Gespräch mit Sarkozy: „Deutschland und Frankreich haben gezeigt, dass wir handlungsfähig sind und die Zukunft Europas gestalten können.“ Mit Blick auf die Zweifel am Fortbestand ihrer schwarz-gelben Koalition fügte sie hinzu: „Wir leben im Augenblick in einer ziemlich existenziellen Phase, wo es um die Zukunft Europas geht. Die deutsche Koalition kennt ihre Aufgabe.“

Auch mit Blick auf den nächsten G20-Gipfel Ende Juni in Kanada machten Merkel und Sarkozy Druck. In einem gemeinsamen Brief an die kanadische G20-Präsidentschaft wollen sie auf Fortschritte bei der Besteuerung des Finanzsektors pochen. Gemeinsam wird eine globale Finanztransaktionssteuer gefordert.

„Wir sind noch nicht zufrieden mit dem, was seit dem ersten G20- Treffen beschlossen wurde“, sagte Merkel. „Wir sind der Meinung, dass die Regulierung forciert voran getrieben werden muss.“ Ebenfalls nicht zufriedenstellend sei der Stand der Beratungen zu einer Bankenabgabe. Sarkozy sagte: „Mehr als je zuvor sind Deutschland und Frankreich entschlossen, mit einer Stimme zu sprechen.“

Unter den wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt gibt es erhebliche Differenzen. Widerstand gegen eine globale Bankenabgabe kommt unter anderem vom G20-Gastgeber Kanada, aber auch von Japan, Brasilien und Indien.