Die erste rot-rot-grüne Landesregierung Deutschlands mit dem Linken-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow steht. Die Reaktionen sind drastisch.

Erfurt. Historische Wahl in Erfurt: Bodo Ramelow, 58, ist 25 Jahre nach dem Mauerfall der erste Ministerpräsident der Linken in Deutschland. Mit 46 Stimmen erhielt er die nötige absolute Mehrheit im Landtag von Thüringen.

Zuvor gab es im ersten Durchgang eine ungültige Stimme und eine Enthaltung. Ramelow war ist im ersten Durchgang bei der Wahl zum Ministerpräsidenten in Erfurt gescheitert.

Der 58-Jährige verfehlte am Freitag zunächst die absolute Mehrheit. Er brachte nicht alle Stimmen des geplanten rot-rot-grünen Bündnisses hinter sich (46), das im Landtag eine Mehrheit von einer Stimme hat.

Für die bislang mit Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht regierende CDU trat niemand gegen Ramelow an.

In seiner ersten Rede als Regierungschef im Landtag entschuldigte sich Ramelow prompt bei den Opfern des SED-Regimes in der DDR. Er sprach persönlich einen Freund an, der im Stasi-Knast in Potsdam gesessen habe. „Lieber Andreas Möller: Dir und allen deinen Kameraden kann ich nur die Bitte um Entschuldigung überbringen.“

Ramelow wurde geboren am 16. Februar 1956 in Osterholz-Scharmbeck in Niedersachsen. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Er lebt mit seiner Frau Germana und Hund Attila in Erfurt. Nach einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann arbeitete er als Gewerkschaftssekretär in Hessen. Nach der Wiedervereinigung wechselte er nach Thüringen, wo er sich als Landesvorsitzender der damaligen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherung (heute Ver.di) einen Namen machte.

Ab September 2005 war er Bundestagsabgeordneter und Fraktions-Vize. Als Verhandlungsführer der PDS managte er den Zusammenschluss mit der WASG zur Linken. Im September 2009 zog er erneut in den Thüringer Landtag ein und wurde Fraktionschef der Linken als größter Oppositionsfraktion. Bei der Landtagswahl 2014 holte die Linke mit 28,2 Prozent ihr bundesweit bestes Ergebnis seit der Wiedervereinigung.

Ex-Landeschef Vogel warnt vor Rot-Rot-Grün

Die Regierungskoalition ist bundesweit umstritten. Thüringens Ex-Regierungschef Bernhard Vogel (CDU) warnte vor langfristigen Folgen einer rot-rot-grünen Regierung in Erfurt für die Bundespolitik. „Ich rechne mit der Auswirkung, dass Herr Ramelow mit leisen Sohlen in den ersten beiden Jahren alles tun wird, um in Berlin zu signalisieren: „Man kann auch mit uns““, sagte Vogel am Freitag im Deutschlandfunk.

„Das möchte ich nicht haben.“ Jemand, „der sich nach wie vor eindeutig zum Sozialismus bekennt, der unsere Ordnung verändern will“, müsse daran gehindert werden.

Auch viele Opfer des DDR-Regimes sehen dem Bündnis nach Einschätzung des SED-Forschers Hubertus Knabe mit großer Sorge entgegen. „Sie spüren, dass die Lehren aus der Geschichte in Vergessenheit geraten. Und sie haben das Gefühl, dass diejenigen zurück an die Macht kommen, die vor 25 Jahren entmachtet wurden“, sagte der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen der Oldenburger „Nordwest-Zeitung“.

Gysi sieht wichtiges Zeichen für den Bund

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sieht in der Wahl Ramelows indes auch ein Signal für die Bundesebene. „Ich glaube schon, es ist ein wichtiges Zeichen“, sagte Gysi am Freitag im MDR. Eigentlich müssten nun Schritt für Schritt Gespräche beginnen. Im Bund müsste es für eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit aber Wechselstimmung geben, die zur Zeit nicht herrsche. Inhaltlich mache er sich weniger Sorgen bei der Außenpolitik, sondern bei Fragen der Umverteilung.

Zur Wahl Ramelows sagte Gysi: „Es zeigt etwas über die Entwicklung, über die gewachsene Akzeptanz. Da dürfen wir schon einen Moment drauf stolz sein.“

Thüringens CDU-Fraktionschef Mike Mohring gibt der neuen rot-rot-grünen Landesregierung keine fünf Jahre. Angesichts des Scheiterns von Bodo Ramelow im ersten Wahlgang spreche vieles dafür, dass das Dreierbündnis nicht bis zum Ende der Legislaturperiode halte, sagte Mohring im Landtag.

CDU-Generalsekretär Mario Voigt kündigte eine „kraftvolle Oppositionsarbeit“ an, um das „Experiment“ Rot-Rot-Grün rasch zu beenden. „Wir sind diese Rolle nicht gewöhnt und müssen uns darauf einstellen“, räumte Mohring mit Blick auf die künftige Oppositionsarbeit ein.

Die Alternative für Deutschland (AfD) hat der CDU vorgeworfen, Bodo Ramelow (Linke) zu seinem Amt als Ministerpräsident von Thüringen verholfen zu haben. „Die CDU hat sich mit ihrer Verweigerungshaltung gegenüber der AfD zum Steigbügelhalter der SED-Nachfolgepartei gemacht“, sagte der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Landtag von Brandenburg, Alexander Gauland, am Freitag. Die neue rot-rot-grüne Landesregierung habe keine sichere Mehrheit und sei daher erpressbar.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatte vor der Abstimmung erklärt: „Ein CDU-Kandidat, der dieses Amt nur mit den Stimmen der AfD erreichen kann, sollte diese Wahl nicht annehmen.“ Die Landesregierung in Thüringen sei nun von Stasi-Leuten abhängig und nicht von einer bürgerlichen Kraft wie der AfD, weil sich die CDU der „Tauber-Doktrin“ unterworfen habe, kritisierte der Fraktionsvorsitzende der rechtskonservativen Partei im Thüringer Landtag, Björn Höcke.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hat die Wahl Ramelows scharf kritisiert. „Mit Ramelow ist jetzt ein Top-Agent einer Ex-Stasi-Connection der Linkspartei Regierungschef geworden“, sagte Scheuer am Freitag. „Das ist ein Tag der Schande für das wiedervereinigte Deutschland.“