Ein Lada für 16.000 Mark sollte den Bundeskanzler beim Olympia-Boykott umstimmen. Parteichef Leonid Breschnew hielt Helmut Schmidt offenbar für käuflich.

Hamburg. Muss die Geschichte des deutschen Olympia-Boykotts 1980 neu geschrieben werden? Und gab es tatsächlich ein Angebot der sowjetischen Führung, den deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt zu bestechen und ihn von der starren Haltung gegenüber Moskau abzubringen? Nach neuen Dokumenten, die der „Spiegel“ eingesehen hat, hielt der damalige kommunistische Führer Leonid Breschnew (Generalsekretär der KPdSU) Schmidt für bestechlich.

Und die Sowjets fürchteten ähnlich wie heute die Russen bei den Olympischen Spielen in Sotschi Angriffe von Terroristen. Denn die Attacke der radikalen Palästinenser auf die Spiele in München waren gerade erst acht Jahre her.

Boykottiert wurden die Spiele in Moskau von einem Teil der westlichen Staatengemeinschaft, weil die Sowjets kurz zuvor in Afghanistan einmarschiert waren. Deutschland hat sich nach Zögern auf die Seite der USA geschlagen und dem Boykott zugestimmt – während die Mannschaft aus dem damals noch bestehenden anderen Teil Deutschlands natürlich fuhr. Die DDR schickte wie üblich ihre Athleten zum Großen Bruder nach Moskau.

Laut bislang geheimen Dokumenten soll Breschnew im Politbüro vorgeschlagen haben, Schmidt zu bestechen und umzustimmen. „Ich schlage vor, Schmidt einen Lada Niva zu schenken. Er kostet in Deutschland 16.000 Mark“, so Breschnew laut Protokoll. Die Erklärung Breschnews offenbart die simple Logik, mit der die Sowjet-Führung ihre eigene Korrumpierbarkeit auf demokratische Führer übertrug. „Schmidt hat eine Datscha an der Küste unweit von Kiel. Dort sind die Straßen nicht sehr gut. Schmidts Ehefrau fährt Auto und studiert Sumpfpflanzen. Mir scheint, dass Schmidt vor diesem Hintergrund ein solches Geschenk Spaß machen wird.“

Glaubten die Sowjets, wie dieser Bericht nahelegt, tatsächlich, den deutschen Bundeskanzler mit einem privaten Geschenk politisch bewegen zu können? Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher sollte zusätzlich vom Politbüro ein Jagdgewehr bekommen. In einem Telegramm an den sowjetischen Botschafter in Bonn hieß es: Der Präsident des deutschen Nationalen Olympischen Komitees, Willy Daume, habe „darum gebeten, die Entscheidung über die Nichtteilnahme an den Spielen nicht als endgültig zu betrachten“.

Genscher weiß laut „Spiegel“ nichts von einem Geschenk der Sowjets. Schmidt könne sich nicht erinnern, dass ihm ein Geländewagen offeriert worden sei. Absurd zu glauben, der deutsche Bundeskanzler fährt von Hamburg zu seinem Haus am Brahmsee mit einem sowjetischen Modell, Vorgänger der modernen SUVs.

Pikant an den alten Dokumenten: Schon der im Westen gefeierte Michail Gorbatschow habe den heute kritisierten Austragungsort Sotschi als ideal für Winterspiele vorgeschlagen.