Die europäischen Staatenlenker sind müde. Zwei Tage dauerte die Budgetschlacht. Der Kompromiss kommt den reichen Geberstaaten sehr entgegen.

Brüssel. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Großbritanniens Premier David Cameron haben beim EU-Gipfel einen Sparhaushalt durchgesetzt. Die Union wird damit in den kommenden sieben Jahren erstmals weniger Geld ausgeben als in der Vergangenheit. Insbesondere London und Berlin drangen bei den fast 26-stündigen Marathonverhandlungen auf zusätzliche Milliarden-Kürzungen. Das Europaparlament hält den Beschluss der EU-Staats-und Regierungschefs vom Freitag allerdings für unzureichend, um grassierende Arbeitslosigkeit und Rezession zu bekämpfen. Die mächtige Volksvertretung droht deshalb mit Ablehnung.

Gipfelchef Herman Van Rompuy verteidigte das Ergebnis für den Haushaltsplan 2014 bis 2020. „Es ist ein ausgeglichenes und wachstumsorientiertes Budget für Europa.“ Auch Merkel äußerte sich zufrieden. „Die Mühe hat sich gelohnt.“ Die Einigung sei gut und wichtig. Damit gebe es für die EU nun Planbarkeit, die 27 Staats-und Regierungschefs hätten ein Zeichen der Solidarität gesetzt.

Merkel setzte durch, das Budget auf genau ein Prozent der EU-Wirtschaftsleistung zu begrenzen. Deutschland, das auch einer der größten Empfänger von EU-Geldern ist, verteidigte zudem die Zahlungen an strukturschwache Regionen in den neuen Bundesländern. Frankreichs Staatspräsident François Hollande sprach von einem „guten Kompromiss“. Frankreich habe seine Ziele erreicht. Es profitiert mit rund 10 Milliarden Euro jährlich am meisten von der EU-Agrarpolitik.

Der Haushaltsrahmen bis zum Ende des Jahrzehnts hat einen Umfang von 959,99 Milliarden Euro. In dem vergleichbaren Zeitraum zuvor hatten die sogenannten Verpflichtungsermächtigungen (inklusive Inflationsaufschlag) 34 Milliarden Euro höher gelegen. Diese Verpflichtungen sind die erlaubten Finanzzusagen für neue Projekte, die auch über die Haushaltsperiode hinaus laufen und noch danach Kosten verursachen können.

Die Summe der tatsächlichen Auszahlungen liegt deutlich niedriger bei 908,4 Milliarden Euro. Diese Zahl gilt als eine Geste des Gipfels für Cameron, der die Marke bei den Auszahlungen von 900 Milliarden Euro angestrebt hatte, um beim heimischen, vielfach europaskeptischen Publikum Punkte zu sammeln.

Der Konservative aus Downing Street 10 feierte die Einigung als einen persönlichen Erfolg. „Im Endeffekt ist es mir gelungen, 24 Milliarden Euro zu kürzen.“ Er fügte hinzu: „Die britische Öffentlichkeit kann stolz sein, dass wir das Limit erstmals überhaupt reduziert haben.“ Er habe während der Verhandlungen eng mit seinen Kollegen aus Dänemark, Schweden, den Niederlanden sowie mit Merkel zusammengearbeitet. Er betonte auch: „Der Britenrabatt ist sicher.“ Dieser 1984 vereinbarte Abschlag auf die britischen Einzahlungen in die EU-Kasse betrug 2011 rund 3,6 Milliarden Euro.

Die vier großen Fraktionen des EU-Parlaments von Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen kritisierten die Abmachung der „Chefs“. „Diese Vereinbarung wird die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft nicht stärken, sondern schwächen. Sie ist nicht im Hauptinteresse der europäischen Bürger“, hieß es. Der Kompromiss bedarf der Zustimmung des Parlaments.

Die ungewöhnlich langen und zähen fast 26-stündigen Verhandlungen hatten am Donnerstagnachmittag begonnen, zogen sich über die ganze Nacht hin und liefen am Freitag weiter, da Einzelheiten immer noch umstritten waren und wiederholt in kleiner Runde geklärt werden mussten. EU-Kommissionschef José Manuel Barroso spendete verhaltenes Lob: „Diese Vereinbarung ist nicht perfekt, aber sie bietet eine Grundlage für Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament.“

Die Einsparungen gehen quer über verschiedene Bereiche. Dies kommt den Wünschen der Staaten entgegen, die mehr Geld nach Brüssel zahlen, als sie von dort zurückerhalten. Auch beim Posten EU-Verwaltung wird etwas gespart – die Beamtengehälter sind Cameron seit langem ein Dorn im Auge. 61,6 Milliarden Euro gibt es für die Verwaltung, rund eine Milliarde Euro weniger als zunächst vorgeschlagen.

Auch die Differenz zwischen Auszahlungen und Verpflichtungen sorgt für Widerstand aus dem Europaparlament. Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) drohte mit einer Blockade: „Das nennt man ein Defizit. Ich unterschreibe keinen Defizit-Haushalt mehr.“ Die Staatenlenker vereinbarten daher, Mittel flexibler als bisher zwischen einzelnen Jahresetats schieben zu können.

Die vor allem süd-und osteuropäischen Empfängerländer, die von Agrarbeihilfen und regionalen Fördergeldern (Strukturfonds) der EU für arme Regionen profitieren, hatten auf dem Erhalt ihres Status quo bestanden.

Die größten Ausgabenblöcke des Budgets sind traditionell für die Landwirtschaft (373,2 Milliarden) und die Förderung von Wachstum und armen Regionen (450,76 Milliarden) reserviert. Zudem gibt es eine neue Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit (6 Milliarden).

Die „Chefs“ debattierten auch über Handelspolitik sowie die Lage in der arabischen Welt. Sie unterstützten ausdrücklich den Feldzug Frankreichs in Mali gegen islamistische Terroristen.