Krisensitzung der Nato. Granaten aus Syrien töteten Menschen in der Türkei. Ankara antwortete wenig später mit einem Vergeltungsschlag.

Beirut/Istanbul. Die Türkei droht in den syrischen Bürgerkrieg hineinzuschlittern. Nach dem Einschlag einer in Syrien abgefeuerten Granate in einem türkischen Grenzdorf feuerte türkische Artillerie auf Ziele in Syrien. Der NATO-Rat verurteilte in einer Dringlichkeitssitzung den Grenzzwischenfall, bei dem in dem türkischen Dorf Akcakale nach türkischen Angaben fünf Menschen getötet wurden.

„Unsere Streitkräfte in der Grenzregion haben auf diesen scheußlichen Angriff mit Artilleriefeuer auf Ziele in Syrien geantwortet, die mit Radar entdeckt wurden“, hieß es in einer Erklärung, die vom Büro des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan herausgegeben wurde. „Die Türkei wird, handelnd nach den Einsatzregeln und dem internationalen Recht, niemals solche Provokationen des syrischen Regimes gegen unsere nationale Sicherheit unerwidert lassen.“

Der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Arinc erklärte: „Ich hoffe, dass ist Syriens letzte Verrücktheit. Syrien wird zur Verantwortung gezogen.“ Türkei hat sich bereits für die Schaffung einer Sicherheitszone in Syrien eingesetzt. Sie hat bisher 90.000 Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen. Die Lage war schon einmal im Juni bis zum Zerreißen angespannt, als die syrische Flugabwehr einen türkischen Kampfjet abschoss.

Der NATO-Rat sprach in Brüssel von einer „flagranten Verletzung internationalen Rechts“. Die Situation werde genauestens beobachtet. Der Bündnisfall nach Artikel fünf wurde nicht ausgerufen, aber nach Artikel vier weitere Konsultationen vereinbart.

US-Außenministerin Hillary Clinton sagte in Washington, es sei eine „sehr gefährliche Lage“ entstanden, über die sie mit den NATO-Verbündeten beraten werde. Die syrische Regierung füge ihrem eigenen Volk beispielloses Leid einzig aus dem Grund zu, sich an der Macht zu halten, sagte Clinton. Verantwortliche Nationen müssten zusammen Druck auf Präsident Baschar Assad ausüben, um einen Waffenstillstand und eine politische Veränderung herbeizuführen.

Auch an den südlichen Nachbarn Israel rückte der syrische Bürgerkrieg näher heran: An der Waffenstillstandslinie auf den von Israel kontrollierten Golanhöhen versammelten sich Dutzende bewaffneter Männer. Die israelischen Behörden versetzten daraufhin die Streitkräfte in der Region in Alarmbereitschaft und schlossen einen Ausflugspunkt. Israelische Sicherheitskräfte bezeichneten die Lage als unklar. So sei nicht bekannt, ob es sich bei den Männern in ziviler Kleidung um syrische Soldaten oder Rebellen handelte. Es habe keine Versuche gegeben, die Waffenstillstandslinie mit Gewalt zu überschreiten.

In Syrien selbst wurde die umkämpfte Handelsmetropole Aleppo von drei Selbstmordanschlägen erschüttert, die mindestens 33 Menschen in den Tod rissen. Es habe viele zum Teil schwer verletzte Menschen gegeben, meldeten syrische Medien und Rebellen. Mehrere Gebäude stürzten ein und begruben vermutlich weitere Menschen in den Trümmern.