Krisenberatungen der Nato-Botschafter. Granaten aus Syrien töten Kinder in der Türkei. Nur wenige Stunden später der Vergeltungsschlag.

Damaskus/Istanbul/Brüssel. Nur wenige Stunden nach einem Granatenangriff auf ein türkisches Grenzdorf hat die türkische Armee Ziele in Syrien angegriffen.

Es habe sich um eine Reaktion auf die Attacke gehandelt, bei der eine Mutter und vier ihrer Kinder von aus Syrien abgefeuerten Granaten getötet worden waren, berichteten türkische Medien am Mittwochabend unter Berufung auf Regierungsangaben.

Nach dem Angriff der türkischen Armee auf Ziele in Syrien kamen die ständigen Nato-Botschafter noch am Abend in Brüssel zu Krisenberatungen zusammen. Es gehe um Beratungen nach Artikel vier des Nato-Vertrags, berichteten Diplomaten. Der Artikel sieht Beratungen vor, wenn eines der Mitglieder die Unversehrtheit seines Gebiets als bedroht ansieht.

Die Türkei wird damit wider Willen immer tiefer in den Syrien-Konflikt hineingezogen.

13 weitere Menschen wurden bei den aus Syrien abgefeuerten Granten verletzt, darunter mehrere Polizisten. Fernsehsender zeigten Dorfbewohner, die in Panik über die Straßen rannten oder Deckung suchten. Außenminister Ahmet Davutoglu berief ein Krisentreffen ein und telefonierte mit dem UN-Sondergesandten für Syrien, Lakhdar Brahimi.

In den umkämpften syrischen Städten Aleppo und Deir as-Saur explodierten am Mittwoch insgesamt fünf Autobomben vor öffentlichen Gebäuden. Bei allen fünf Explosionen seien vor allem Angehörige der Regierungstruppen getötet worden, meldeten Aktivisten.

Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter sprach von 48 Toten und etwa 100 Verletzten alleine in Aleppo. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, 31 Menschen seien durch die ersten drei Autobomben getötet worden. Aus Deir as-Saur, wo eine in einem Kleinlaster versteckte Bombe direkt vor dem Gebäude der sogenannten Behörde für „Politische Sicherheit“ explodierte, lagen keine Opferzahlen vor.

Das syrische Fernsehen zeigte Bilder von Leichen und zerstörten Gebäuden im Stadtzentrum von Aleppo. Staatsmedien und die Opposition berichteten übereinstimmend, die ersten drei Sprengsätze seien vor dem Offiziersclub auf dem Saadallah-al-Dschabri-Platz in Aleppo explodiert. Auch ein daneben liegendes Hotel, das von der örtlichen Handelskammer genutzt wird, sei in Mitleidenschaft gezogen worden. Eine weitere Autobombe ging den Angaben zufolge in der Nähe des Gebäudes der Handelskammer an der Al-Mutanabbi-Straße in die Luft. Insgesamt sollen am Mittwoch in Syrien landesweit 136 Menschen getötet worden sein.

In dem türkischen Dorf Akcakale schlugen nach türkischen Angaben insgesamt mindestens drei Granaten ein. Die Ortschaft liegt unmittelbar an der Grenze zu Syrien. Der benachbarte Grenzübergang Tell Abjad war lange Zeit umkämpft. Er war im September von den Rebellen eingenommen worden.

Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkrieges im Nachbarland mehr als 93 000 syrische Flüchtlinge aufgenommen. Die Forderung Ankaras, eine Schutzzone für Vertriebene auf der syrischen Seite der Grenze einzurichten, hat international keine ausreichende Unterstützung erhalten. Die türkische Regierung sympathisiert mit den Assad-Gegnern. Versuchen der Konfliktparteien, die Türkei zu einem militärischen Eingreifen zu bewegen, hat Ankara bisher widerstanden.

In Istanbul demonstrierten etwa 40 Journalisten vor dem syrischen Konsulat für die Freilassung des türkischen Kameramannes Cüneyt Ünal und des palästinensischen Reporters Baschar Fahmi. Die beiden Mitarbeiter des TV-Senders Al-Hurra waren im August in Aleppo von Regierungstruppen gefangen genommen worden.

Eine Extremistenorganisation, die sich Al-Nusra Front nennt, veröffentlichte am Mittwoch auf Islamisten-Websites Bilder, auf denen ihren Angaben nach zu sehen ist, wie ein Mitglied der Front in Aleppo 20 gefesselte Soldaten erschießt.