Straßburg. Das Europäische Parlament stimmte am Mittwoch in Straßburg mit großer Mehrheit für eine Ausdehnung der bestehenden Schutzfristen von 14 auf 20 Wochen bei möglichst vollem Lohnausgleich. Außerdem ist ein bezahlter Vaterschaftsurlaub vorgesehen. Gewerkschaften begrüßten das Ergebnis. Abgeordnete und Arbeitgeberverbände protestierten gegen den Beschluss.
Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin (FDP), bezeichnete die Entscheidung als völligen Unsinn. „Die Hürde für Frauen auf den Arbeitsmarkt zu kommen , ist jetzt deutlich höher“, sagte die Abgeordnete dem EPD. Vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen bestünde das Risiko, dass Männer bei der Jobvergabe bevorzugt werden, befürchtet Koch-Mehrin. „Gerade in Zeiten, in denen man gute Fachkräfte braucht, haben wir es uns in der EU schwerer gemacht als es sein müsste.“
Auch den bezahlten zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub hält das FDP-Mitglied für problematisch. Die Richtlinie sieht vor, dass Väter in jedem Fall das Recht auf eine 100prozentige Lohnfortzahlung bekommen sollen. Bei den Müttern haben die Staaten indes die Wahl, ob sie die vollen Bezüge oder nur 75 Prozent des Lohns zahlen. „Wenn Väter mehr Geld bekommen als Mütter ist das total absurd“, sagte Koch-Mehrin. Solche Anreize hätten in einer Mutterschutzrichtlinie nichts zu suchen.
Arbeitgeberverbände beklagten vor allem eine drohende Kostenexplosion. „Angesichts angespannter Staatshaushalte und einer erst langsam wieder wachsenden Wirtschaft setzt das EU-Parlament die falschen Prioritäten“, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Otto Kentzler. Mit dem verlängerten Mutterschutz kämen Mehrbelastungen in Milliardenhöhe kämen auf Unternehmen und Regierungen zu.
Für Deutschland liegen die Kosten jedoch deutlich niedriger, sagt der EU-Abgeordnete Thomas Mann (CDU). „Das Europäische Parlament hat verstanden, dass das deutsche Kombi-Modell aus Mutterschutz und Elternzeit vorbildlich und schützenswert ist“, sagte Mann. Dem Beschluss zufolge können zwischen vier und sechs Wochen der Elternzeit auf den verlängerten Mutterschutz angerechnet werden. Mann lobte besonders den Kündigungsschutz und das Überstundenverbot für Schwangere in der neuen Richtlinie.
Gewerkschaften begrüßten den Beschluss, der „deutlich über unseren Erwartungen liegt“, sagte die Arbeitsmarktexpertin des Dachverbands Europäischer Gewerkschaften ETUC, Veronika Nilsson, dem EPD. Der Mindeststandard von bisher 14 Wochen sei nicht ausreichend gewesen für Mütter, um sich angemessen von der Schwangerschaft zu erholen und wieder in den Job einsteigen zu können.
EU-weit sind die gesetzlichen Fristen für den Mutterschutz sehr unterschiedlich geregelt. In den meisten Staaten gelten zwischen 16 und 20 Wochen. Mit 14 Wochen gesetzlichem Mutterschutz gehören Deutschland und Malta zu den Staaten mit den kürzesten Fristen.
Die Entscheidung des Europäischen Parlaments muss nun im Ministerrat diskutiert werden. Damit die Richtlinie die nächste Hürde nehmen kann, bedarf es einer Mehrheitsentscheidung im Rat. Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Österreich, die Niederlande sowie Schweden haben bereits Widerstand angekündigt.
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