Bekommt EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso eine zweite Amtszeit? Die Staats- und Regierungschefs haben ihn erneut für das Amt vorgeschlagen.

Brüssel. Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat die Rückendeckung aller 27 EU-Staats- und Regierungschefs für eine zweite Amtszeit. Der konservative Portugiese kann somit gestärkt die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament aufnehmen, wo Sozialdemokraten und Grüne die nötige Mehrheit für eine Wiederwahl verhindern wollen.

Dem EU-Gipfel gelang am Donnerstag auch ein Durchbruch bei den umstrittenen Plänen für eine schärfere Banken-Aufsicht. An diesem Freitag sollen zudem die Garantien festgeschrieben werden, die Irland für eine zweite Volksabstimmung über den Lissabonner EU-Reformvertrag fordert. Hunderte Bauern nutzten den Gipfel, um ihrem Ärger vor allem über die niedrigen Milchpreise Luft zu machen. Dabei kam es am Abend zu Krawallen, die sich aber rasch wieder beruhigten.

Barroso zeigte sich nach der Entscheidung sichtlich erleichtert. Er versprach, bei einer Wiederwahl den Kampf gegen die Wirtschaftskrise und den Klimawandel zu seinen vorrangigen politischen Zielen zu machen. „Ich bin sehr stolz auf die einstimmige Unterstützung“, sagte der 53-Jährige. Der Fahrplan der Mitgliedstaaten sieht vor, Barroso nach dem Grundsatzbeschluss später in einer Art Briefwahl formell zu nominieren. Das neu gewählte Europaparlament soll dann bereits kurz nach seiner ersten Sitzung am 15. Juli über Barroso abstimmen. Die Volksvertretung müsste Barroso mit der Mehrheit der 736 Abgeordneten bestätigen.

Die Sozialdemokraten sind allerdings auf Konfrontationskurs. Als zweitstärkste Fraktion kündigten sie an, eine Abstimmung im Juli über Barroso zu blockieren. Sie können sich der Unterstützung der Grünen sicher sein. Diplomaten wollten deshalb nicht ausschließen, dass die Abstimmung über Barroso erst im September angesetzt wird. In dieser Situation droht – ungeachtet der Rückendeckung durch die EU-Staaten - mitten in der Wirtschaftskrise ein Machtvakuum in der mächtigen Kommission und schwerer politischer Schaden am politischen Image Barrosos.

Die konservativen und christdemokratischen Regierungschefs beharren hingegen auf einer raschen Abstimmung des Parlaments. „Europa muss handlungsfähig bleiben und kann sich jetzt keine monatelange Hängepartie leisten“, sagte Kanzlerin Angela Merkel.

Hürden gibt es noch auf dem Weg zu einer neuen Volksabstimmung in Irland über den EU-Reformvertrag von Lissabon. Die Staats- und Regierungschefs nahmen die geplanten Beratungen über Zugeständnisse angesichts der Widerstände gar nicht erst auf und schoben das Thema auf diesen Freitag.

In der Irland-Frage blockte die Regierung in London die Forderung der Iren ab, die Zugeständnisse von allen 27 Mitgliedstaaten später ratifizieren zu lassen und sie damit völkerrechtlich bindend zu machen. Die Iren hatten den Lissabon-Vertrag im Juni 2008 durchfallen lassen. Sie verlangen für ein zweiten Referendum, dass die EU keine neuen Zuständigkeiten in der Steuerpolitik bekommt und dass die militärische Neutralität Irlands respektiert wird. Auch will das Land sein strenges Abtreibungsrecht behalten.

Einen Durchbruch gab es hingegen bei der umfassenden Reform der europäischen Finanzaufsicht, die künftig dramatische Banken-Krisen verhindern soll. Die Pläne von Barroso sehen einen neuen Kontrollrat für Bankenrisiken sowie drei EU-Aufsichtsbehörden vor. Er will im Herbst konkrete Gesetzesvorschläge vorlegen.

Wütende Bauern machten am Rande des Gipfels ihrem Zorn über niedrige Milchpreise Luft. Die Gipfelrunde sprach darüber, ohne dass zunächst Ergebnisse bekannt wurden. Mehrere Landwirte versuchten mit Hilfe von zwei Traktoren, am Abend die Absperrungen zu durchbrechen, wie Augenzeugen berichteten. Die Polizei fuhr einen Wasserwerfer auf, um die Menge in Schach zu halten und sprühte Tränengas. Insgesamt waren mehrere hundert Milchbauern vor allem aus Deutschland angereist.