16.000 Tote, 4000 Vermisste – Wulff ist schockiert, versichert den Japanern aber deutsche Hilfe. Und Wulff warnt vor Fortschrittsgläubigkeit.

Iwaki/Tokio. Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff ist im Katastrophengebiet der Provinz japanischen Fukushima eingetroffen, um mit Opfern und Hinterbliebenen der schweren Zerstörungen vom März 2011 zu sprechen. In Iwaki, etwa 50 Kilometer von der Stadt Fukushima entfernt, trifft Wulff mit Menschen zusammen, die nach dem Reaktorunfall ihre Häuser verlassen mussten. Hier leben noch immer Tausende in einer Behelfswohnsiedlung. In der Küstenstadt Toyoma will sich der Bundespräsident ein Bild von den nach wie vor unübersehbaren Zerstörungen durch den Tsunami machen, der nach dem verheerenden Erdbeben die Region verwüstet hat. Danach nimmt Wulff an einem Konzert für die Opfer der Katastrophe teil und spricht mit dem Gouverneur der Präfektur Fukushima.

Schon mehrfach auf seiner am Sonntag begonnen Japanreise hat Wulff den Opfern und Hinterbliebenen weitere Unterstützung aus Deutschland zugesagt. Auch sieben Monate nach Erdbeben, Tsunami und Atomunfall sind noch Zehntausende ohne Obdach. Etwa 16.000 Menschen kamen damals ums Leben, 4000 gelten noch als vermisst.

Wulff hat derweil den Atomausstieg in Deutschland als „Jahrhundertprojekt“ bezeichnet und mit dem Plan zur Mondlandung verglichen. Bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Tsukuba-Universität in Tokio sagte Wulff am Dienstag, im Gegensatz zum amerikanischen „Man on the Moon Project“ der 60er-Jahre vollziehe sich die Energiewende in Deutschland in vielen kleinen Schritten. Dazu gehörten Fortschritte bei der Energieeffizienz, wo Japan Vorreiter sei. Vor der Universität sagte Wulff weiter, die Welt müsse sich die Begeisterungsfähigkeit für technische Neuerungen unbedingt erhalten, gleichzeitig aber, etwa bei der Stammzellenforschung, grundsätzliche Diskussionen um den Wert und die Würde menschlichen Lebens führen. Technischer Fortschritt müsse immer auch an ethischen Grundfragen gemessen werden. „Nicht alles, was technisch machbar ist, soll auch wirklich gemacht werden.“

Zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik sagte Wulff, wissenschaftliche Expertise müsse gesellschaftliche und politische Willensbildung stets begleiten. Die Entscheidungsfindung selbst aber müsse bei den gewählten Volksvertretern liegen.

Die Katastrophe von Fukushima zeige, wie weitreichend die Folgen einer Verkettung mehrerer Ausfälle sein können. Deshalb müsse immer auch das „Undenkbare“ mitgedacht werden. Zugleich müsse Fortschritt mit Nachhaltigkeit einhergehen. Angesichts des Klimawandels werde deutlich, dass Wachstum künftig von immer höherem Ressourcenverbrauch abgekoppelt werden müsse.

Um den Zusammenhalt der Generationen nicht zu gefährden, dürfe die jetzige Generation nicht durch ein Leben auf Pump den Wohlstand der Zukunft verbrauchen. „Das gilt für unsere private und staatliche Verschuldung, aber auch für unseren Umgang insgesamt mit den Ressourcen“, sagte Wulff. (dpa)