Wieder waren tausende Menschen nach internationaler Rücktrittsforderung an Assad bei Protesten im ganzen Land auf der Straße.

Beirut/Brüssel. Syrische Sicherheitskräfte sind am Freitag erneut mit Härte gegen tausende Demonstranten im ganzen Land vorgegangen und haben nach Angaben von Aktivisten mindestens 20 Menschen erschossen. In mehreren Städten wurden Soldaten und Panzer stationiert – trotz einer Zusicherung von Präsident Baschar Assad, die Militär- und Polizeiaktionen gegen die Protestbewegung seien beendet worden. Am Donnerstag hatten die USA und die Europäische Union Assad zum Rücktritt aufgefordert.

Zu Protesten kam es in der Hauptstadt Damaskus sowie unter anderem in der zentralen Stadt Homs, der südlichen Provinz Daraa, der Küstenstadt Latakia sowie in Deir al Sur im Osten des Landes, wie das in London ansässige Observatorium für Menschenrechte und die Örtlichen Koordinationskomitees mitteilten.

In den südlichen Ortschaften Ghabagheb und Hirak seien insgesamt 13 Menschen getötet worden, hieß es. Sieben weitere Todesopfer wurden aus Homs, aus einem Vorort von Damaskus sowie den Ortschaften Inchil und Nawa im Süden gemeldet. Zudem habe es eine Welle von Festnahmen gegeben. Die Opposition hatte die Menschen wieder zu Protesten nach dem Freitagsgebet aufgerufen. Das Staatsfernsehen berichtete, zwei Polizisten seien erschossen worden.

Die Angaben ließen sich von unabhängiger Seite nicht bestätigen, da die syrische Regierung ausländische Journalisten ausgewiesen und die Arbeit der lokalen Medien eingeschränkt hat.

Die USA und die EU hatten Assad am Donnerstag zum Rücktritt aufgefordert. Die russische Regierung erklärte am Freitag, sie wolle die Forderung vorerst nicht unterstützen. Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch sagte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax vom Freitag, Moskau wolle Assad ausreichend Zeit geben, um seine Reformversprechen zu erfüllen.

UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay rief den Weltsicherheitsrat auf, wegen der seit Monaten andauernden Gewalt gegen Demonstranten in Syrien den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) einzuschalten. Die Ermittlungen einer Kommission deuteten auf umfassende und systematische Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien hin, sagte Pillay am Donnerstag in New York.

IStGH-Chefankläger Luis Moreno-Ocampo sagte, das Gericht habe derzeit keine rechtliche Grundlage, um Ermittlungen aufzunehmen. Damaskus erkenne den Gerichtshof nicht an, erklärte er am Freitag in Den Haag. Daher könne eine Untersuchung wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit nur auf Antrag des UN-Sicherheitsrats aufgenommen werden.

Die EU erwägt eine Ausweitung der Sanktionen gegen Syrien auf den Ölsektor des Landes. Die für außenpolitische Fragen zuständigen EU-Botschafter diskutierten über mehrere Strafmaßnahmen, sagte ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Freitag in Brüssel. Später hieß es aus EU-Kreisen, geplant seien neue Sanktionen gegen 15 weitere Einzelpersonen und fünf Unternehmen. Der Vorschlag solle in der kommenden Woche vorgelegt werden.

EU will Öl-Importe aus Syrien stoppen

Die Europäische Union will im Zuge schärferer Sanktionen gegen Syrien die Rohöl-Importe aus dem Land stoppen. „Die Vorschläge für ein Embargo auf Importe von syrischem Rohöl in die Europäische Union werden nun vorbereitet“, teilte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Freitag in Brüssel mit. „Sie werden Anfang kommender Woche im Rat geprüft.“

Auch solle die schwarze Liste der EU ausgeweitet werden auf diejenigen, die das Regime von Präsident Baschar al-Assad unterstützen oder von ihm profitieren. Ihre Vermögenswerte in der EU sollen eingefroren und sie selbst mit einem Einreiseverbot belegt werden, sagte Ashton. Darüber hinaus solle die Europäische Investitionsbank ihre technische Hilfe für Syrien aussetzen.

Zuvor hatten sich die für außenpolitische Fragen zuständigen EU-Botschafter in Brüssel getroffen. Diplomaten berichteten danach, dass es noch keinen genauen Termin für den Importstopp gebe, es aber spätestens Anfang September soweit sein könnte. Sie sprachen von einer „qualitative Ausweitung“ der Sanktionen. „Das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad kann nach dem, was es seinem Volk angetan hat, kein Gesprächspartner sein“, sagte ein Diplomat.

Zunächst aber beschlossen die Botschafter bei ihrem Treffen, 20 weitere Namen von Personen und Unternehmen auf die schwarze Liste zu setzen. Derzeit sind 35 Personen, deren Vermögenswerte in der EU eingefroren wurden, mit einem Einreiseverbot belegt. Die neuen Namen sollen „in den kommenden Tagen“ veröffentlicht werden, sagte Ashton. Zuletzt hatte die EU ihre Sanktionen am 1. August verschärft.

Die Eskalation der Gewalt gegen friedliche Demonstranten habe den „kompletten Verlust der Legitimität des syrischen Regimes“ gebracht. Bereits zuvor hatten die USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich – ebenso wie die Europäische Union insgesamt – den syrischen Präsidenten Assad zum Rücktritt aufgefordert. (dapd/dpa/abendblatt.de)