Bundesregierung und EU prüfen weitere Sanktionen gegen Präsident Assad. Seine Truppen überrennen Stadt an der Grenze zur Türkei.

Berlin/Beirut. Die Bundesregierung schließt Sanktionen gegen die syrische Öl- und Gasindustrie nicht aus. Man werde entsprechende Forderungen von US-Außenministerin Hillary Clinton prüfen, kündigte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nach einem Treffen mit seinem ägyptischen Amtskollegen Mohammed Amr in Berlin an. Es gebe „viele Übereinstimmungen“ mit den Vorstellungen Clintons. Die Abberufung des deutschen Botschafters aus Damaskus lehnte Westerwelle aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Er halte es für besser, derzeit die Gesprächskanäle offen zu halten. Dies liege auch im Interesse der Demonstranten.

Amr zeigte sich überzeugt, dass es in Syrien keine militärische Lösung geben wird. Notwendig seien Gespräche zwischen allen Parteien. Dafür müsse aber das Blutvergießen sofort aufhören. „Man kann die Geschichte nicht aufhalten“, betonte er in Richtung der syrischen Führung mit Blick auf die Entwicklung in seinem Land.

Unterdessen gehen die Streitkräfte in Syrien nach Angaben von Aktivisten mit unverminderter Härte gegen Demonstranten vor. In der Stadt Deir al-Sur eröffneten Soldaten demnach am Freitag das Feuer auf Tausende Demonstranten. Bei Militäraktionen im Norden Syriens und in einem Vorort von Damaskus erschossen Regierungstruppen den Angaben zufolge zwei Menschen. Das niederländische Außenministerium erklärte, die EU prüfe mögliche weitere Sanktionen gegen Syrien.

Die Proteste gegen die Regierung von Präsident Baschar al-Assad in der ostsyrischen Stadt Deir al-Sur seien nach dem Freitagsgebet in zwei Moscheen ausgebrochen, erklärte der Aktivist Mustafa Osso, der sich im Land aufhält. Regierungstruppen haben Deir al-Sur ebenso wie die Stadt Hama unter ihre Kontrolle gebracht. In beiden Städten war es zuvor zu Massenprotesten gegen die Regierung gekommen.

Weitere Proteste wurden aus dem Nordosten Syriens, der Stadt Homs sowie aus ländlichen Gebieten der Provinz Hama gemeldet. In der Stadt Hama umstellten Soldaten Moscheen und errichteten Kontrollposten, um jegliche Proteste im Keim zu ersticken. Ein Aktivist in Hama sagte telefonisch, Dutzende Soldaten seien auf dem zentralen Assi-Platz stationiert, Scharfschützen hätten auf Dächern Position bezogen.

Die Stadt Chan Scheichon in der Nähe der Grenze zur Türkei sei am frühen Freitagmorgen von Soldaten mit Panzern unter schwerem Gefechtsfeuer gestürmt worden, erklärten Aktivisten. Dabei sei eine Frau getötet worden. Außerdem hätten Sicherheitskräfte beim Einmarsch in den Hauptstadt-Vorort Sakba eine Person erschossen. In Sakba seien Razzien durchgeführt worden, es sei zu Festnahmen gekommen. Der Tod der beiden Personen wurde vom Observatorium für Menschenrechte mit Sitz in London und den örtlichen Koordinationskomitees bestätigt.

Der niederländische Außenamtssprecher Uri Rosenthal sagte, über eine mögliche Ausweitung der EU-Sanktionen gegen Syrien, beispielsweise auf die Bereiche Telekommunikation, Bankwesen und Energie, werde unter Umständen von den EU-Botschaftern innerhalb der nächsten zwei Wochen oder bei einem informellen Ministertreffen am 2. September in Polen entschieden. „Wir müssen dem Regime über seine profitablen öffentlichen Unternehmen den Sauerstoff abstellen“, erklärte Außenminister Uri Rosenthal. (dpa/dapd)