54 Prozent der Stimmen könnte die Koalition auf sich vereinen. Der Bundespräsident sieht ein starkes Parlament wegen Minderheitsregierung. FDP-Landeschef Bahr greift Kraft an.

Düsseldorf. Ein Jahr nach Amtsantritt liegt Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen laut einer neuen Forsa-Umfrage klar vorn. Wie das Magazin „Stern“ am Mittwoch vorab berichtete, käme die seit Juli 2010 regierende Koalition aus SPD und Grünen derzeit auf 54 Prozent.

Stärkste Partei ist der Umfrage zufolge knapp die SPD mit 33 Prozent. Die CDU kommt auf 32 Prozent. Beide großen Parteien liegen damit unter ihrem Ergebnis bei der letzten Landtagswahl. Die Grünen legen deutlich zu auf 21 Prozent. Die FDP verliert deutlich und liegt jetzt nur noch bei 3 Prozent – sie würde den Wiedereinzug in den NRW-Landtag genauso verpassen wie die Linke mit 4 Prozent.

Bei einer Direktwahl des Regierungschefs käme Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) auf 51 Prozent. Der CDU-Landesvorsitzende und Bundesumweltminister Norbert Röttgen liegt bei 29 Prozent. Für die Forsa-Erhebung wurden rund 1.000 NRW-Bürger repräsentativ befragt.

Die rot-grüne Minderheitsregierung ist am Donnerstag (14. Juli) ein Jahr im Amt. In NRW gibt es immer wieder Spekulationen über Neuwahlen. Der Regierung Kraft fehlt im Landtag ein Mandat zur absoluten Mehrheit.

Der FDP-Landesvorsitzende Daniel Bahr attackierte Kraft am Mittwoch. Die SPD-Ministerpräsidentin „repräsentiert, die Grünen regieren“, sagte der Bundesgesundheitsminister. Unter „Grün-Rot“ falle NRW im Vergleich der Bundesländer zurück, kritisierte Bahr. In der Haushalts- und Bildungspolitik sei die Minderheitskoalition vor Gerichten gescheitert. Neuwahlen lehnte Bahr allerdings ab.

Rot-Grün habe eine „ruinöse Haushaltspolitik“ mit hohen Schulen trotz guter Konjunktur zur „Staatsphilosphie“ gemacht, kritisierte der FDP-Fraktionsvorsitzende Gerhard Papke. Er warnte die CDU davor, mit Rot-Grün einen Schulkonsens zu verabreden. Dies wäre ein „historischer Fehler“. Sollte die CDU die Gemeinschaftsschule mittragen, würden sich die Christdemokraten von „ihrer Identität als bürgerliche Partei verabschieden“, sagte Papke.

Am Donnerstag ziehen Kraft und Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) vor der Landespressekonferenz ihr Zwischenfazit nach einem Jahr Rot-Grün. Auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Josef Laumann bilanziert dann die Arbeit der Landesregierung.

Bundespräsident Christian Wulff sagte am Rande eines Besuchs in Düsseldorf im Gespräch mit den NRW-Lokalradios, das Parlament sei in Zeiten einer Minderheitsregierung „stark“, denn durch die unklaren Mehrheitsverhältnisse müsse sich die Regierung intensiver um eine Zustimmung des Landtags bemühen. Er beobachte aber auch „kraftvolle Entscheidungen“, sagte Wulff. Er verfolge aufmerksam, was in NRW geschehe. Eine Bewertung stehe ihm aber nicht zu.

Schwarz-Gelb hatte 2010 die Landtagswahl an Rhein und Ruhr verloren. Da jedoch keine neue Mehrheitsregierung zustande kam, starteten SPD und Grüne nach erfolglosen Sondierungen mit anderen Parteien das Minderheitsexperiment im bevölkerungsreichsten Bundesland. (dapd/abendblatt.de)