Nächste Schlappe für Ministerpräsident Berlusconi: Erste Auszählungen deuten auf einen klaren Sieg der Gegner der Atom-Politik hin.

Rom. Es ist ein Sieg der sonst so heillos zerstrittenen Opposition Italiens. Ihr ist es gelungen, die Mitte-Rechts-Regierung des skandalträchtigen „Cavaliere“ Silvio Berlusconi innerhalb weniger Wochen zum zweiten Mal in die Knie zu zwingen – mit der Atomfrage. Es gibt aber noch einen anderen Sieg, den das zweitägige Referendum Italien gebracht hat: Bürgerbeteiligung ist wieder angesagt! Nach immerhin 16 Jahren ist erstmals mehr als jeder zweite Italiener bei einer derartigen Abstimmung zu den Wahlurnen gegangen.

„Wir haben den großen Wunsch wiedergefunden, hier mitzumachen“, jubelte geradezu das liberale Turiner Blatt „La Stampa“. Das ist vielleicht noch wichtiger als der gleich im Viererpack der ungeliebten Regierung verabreichte Denkzettel, eine wahre Ohrfeige. Die im Übrigen nicht nur von Linken kam, sondern auch von rechten Wählern. Nahezu zerknirscht sprach Berlusconi von einem unübersehbaren Willen der Bürger, „über die Zukunft ihres Landes mitzuentscheiden.“

Bei den Kommunalwahlen unlängst hatte Berlusconi hoch gepokert, sie zu einem „nationalen Test“ ausgerufen und die Hochburg Mailand an die Linke verloren. Der Lack ist ab, der „ewige Sieger“ angeschlagen, frohlockte das Anti-Berlusconi-Lager. Jetzt, bei den vier Fragen der Volksabstimmung, ging die Opposition das Risiko ein, angesichts der bisherigen Politikverdrossenheit der Italiener daraus ein Plebiszit gegen den Milliardär und Medienmann zu machen. Wenn es nicht geklappt hätte, wäre es eine Blamage für alle um Pier Luigi Bersani, den Chef der größten Oppositionspartei PD (Demokratische Partei), gewesen. Jetzt kann Bersani von einer „Scheidung zwischen der Regierung und dem Volk“ sprechen.

Mit der beängstigenden radioaktiven Strahlung aus Fukushima im Bewusstsein und die Möglichkeiten zu mobilisieren etwa über Facebook brachten die Atomgegner den nötigen Schub. Höchste Gerichte vereitelten die müden Versuche des Regierungslagers, seine Option auf einen Wiedereinstieg in die Kernkraft doch noch zu retten und diese Volksabstimmung zu vereiteln. Wohl wissend, dass die Italiener, die doch 1987 nach Tschernobyl bereits dem Atom „arrivederci“ sagten, dies in Massen noch einmal tun – und damit die notwendige Beteiligungshürde (Quorum) auch für die anderen Fragen einreißen würden – darunter der „Schutz“ Berlusconis vor der Justiz.

Nach dieser zweiten schweren Schlappe für „B & B“, für Berlusconi und Koalitionspartner Umberto Bossi von der Lega Nord, kann auch der „Cavaliere“ nicht so einfach achselzuckend sagen, die Karawane ziehe trotzdem weiter. Oder auch so: „Dann engagieren wir uns eben stark bei den erneuerbaren Energien.“ Wieweit der bald 75-jährige Berlusconi seine politische Energie noch einmal aufladen kann, um bis zur Parlamentswahl 2013 durchzuhalten, ist die eine Frage. Die andere bleibt, ob die Lega sich vielleicht doch von Berlusconi abwendet und neue Partner sucht.

(abendblatt.de/dpa)