Insgesamt sind aus dem Gefängnis in Kandahar rund 500 Häftlinge aus einem 320 Meter langen Tunnel geflohen. Großfahndung eingeleitet.

Kabul. Bei einer spektakulären Massenflucht sind rund 475 Häftlinge aus einem Gefängnis der südafghanischen Stadt Kandahar entkommen, darunter nach Angaben der Behörden und der Aufständischen selbst viele Taliban-Kämpfer. Sie flohen durch einen 320 Meter langen Tunnel, der von außen zu ihren Zellen gegraben worden sei, sagte Taliban-Sprecher Sabjullah Mudschahid am Montag.

Nach Mudschahids Angaben entkamen am Sonntagabend mehr als 500 Häftlinge, rund 100 davon Taliban-Kommandeure. Ein anderer Taliban-Sprecher, Kari Jussef Ahmadi, sagte, bei vier der Entkommenen handele es sich um Führer der Aufständischen auf Provinzebene.

Der Gouverneur der Provinz Kandahar, Turjalai Wessa, sprach von mindestens 475 geflohenen Häftlingen. Eine Großfahndung sei eingeleitet "und einige der Gefangenen sind bereits wieder festgenommen worden“, sagte er. Auf die Frage, wie ein 320 Meter langer Tunnel von außen zu den Gefängniszellen gegraben werden konnte, ohne das etwas bemerkt wurde, sagte er nur, die Ermittlungen liefen.

Aus dem Gefängnis Sarpossa in der Stadt Kandahar hatte es erst 2008 eine Massenflucht gegeben: Bei einem tollkühnen Angriff mehrerer Taliban entkamen 900 Häftlinge aus der Einrichtung, die für 1.200 Gefangene ausgelegt ist. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden seitdem nach amtlichen Angaben verbessert.

Nur wenige Eingeweihte

Die Taliban-Sprecher gaben bereitwillig Auskunft über den Coup. Weniger als eine Handvoll Gefangene seien vorab von der Befreiungsaktion informiert worden, sagte Mudschahid. Diese hätten die anderen in den Tunnel geleitet. Ein Mann, der nach Angaben der Taliban-Sprecher zu den Eingeweihten gehörte, sagte, dieser kleine Kreis habe auch nachgemachte Schlüssel für die Gefängniszellen erhalten. "Vier oder fünf von uns wussten, dass unsere Freunde einen Tunnel von draußen graben“, sagte der Mann namens Mohammed Abdullah. "Einige unserer Freunde halfen uns, indem sie uns Schlüsselkopien beschafften. Als die Zeit in der Nacht gekommen war, konnten wir die Türen für unsere Freunde in den Zellen öffnen.“

Vor drei Jahren hatten die Taliban eine andere Taktik gewählt: Dutzende Angreifer auf Motorrädern und zwei Selbstmordattentäter griffen das Gefängnis an. Einer der Selbstmordattentäter sprengte sich mit einem mit Sprengstoff beladenen Lastwagen am Gefängnistor in die Luft und ein zweiter sprengte einen Fluchtweg durch eine Mauer frei. Unter den 900 entkommenen Häftlingen waren 400 Taliban-Kämpfer.

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Mindestens sieben Tote in Afghanistan

Mindestens sieben Menschen sind am Wochenende bei Anschlägen und Kämpfen im Süden Afghanistans getötet worden. Darunter befanden sich drei Nato-Soldaten, ein führendes Mitglied des Friedensrats der Provinz Helmand und drei Führer einer Rebellengruppe, wie Nato und afghanische Behörden am Sonntag mitteilten.

Zwei Nato-Soldaten wurden bei der Explosion eines am Straßenrand versteckten Sprengsatzes am Sonnabend getötet, ein dritter Nato-Soldat kam am Sonntag ums Leben, teilte das Bündnis mit. Ein weiterer sei beim Absturz seines Hubschraubers im Osten des Landes ums Leben gekommen. Angaben zur Nationalität der Soldaten wurden zunächst nicht gemacht. Seit Jahresanfang sind in Afghanistan 134 Nato-Soldaten getötet worden.

In Laschkar Gah wurde am Sonnabend der stellvertretende Leiter des Helmander Friedensrates bei einem Attentat getötet, teilte das afghanische Innenministerium mit. Zu dem Anschlag bekannten sich die Taliban. Abdul Sahir war zuvor höchster ziviler Beamter des Bezirks Mardschah. Er war in dieser Funktion umstritten, nachdem bekannt wurde, dass er in Deutschland wegen versuchten Totschlag an seinem Sohn 1998 zu einer Haftstrafe verurteilt worden war. Sahir hat dementiert, jemals in einem deutschen Gefängnis gesessen zu haben.

Afghanische Truppen und Nato-Soldaten töteten nach Angaben der Allianz vom Sonntag am Freitag in der Provinz Chost drei führende Mitglieder des Rebellen-Netzwerks Hakkani. Diese Gruppe ist vor allem in den Provinzen Paktika, Paktia und Chost aktiv. Unter den Getöteten sei mit Sali Chan ein Drahtzieher von Bombenanschlägen und Angriffen auf Militärstützpunkte.

Mit Material von dapd