Trotz eisiger Temperaturen ziehen Frauen in Kiew blank. Es geht der Oben-ohne-Politik auch um Menschenhandel und Sex-Tourismus.

Kiew. Sie haben traumhafte Körper, sind meist blond und lassen sogar bei hartem Frost die Hüllen fallen: die Aktivistinnen der ukrainischen Frauenbewegung Femen kämpfen mit nackten Brüsten und Popos für mehr Demokratie in der Ex-Sowjetrepublik. Die „Feministinnen“ protestieren gegen die aus ihrer Sicht zunehmend autoritäre Politik des seit einem Jahr regierenden Präsidenten Viktor Janukowitsch, aber auch gegen Menschenhandel und Sex-Tourismus. Mitte Februar gab es zudem eine Aktion gegen Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi, dem Sex mit einer Minderjährigen angelastet wird. Für den unverhüllten Protest vor Italiens Botschaft gegen den „Sexualstraftäter“ hat ein Gericht in Kiew erstmals zwei Femen-Aktivisten zu kurzen Gefängnisstrafen verurteilt.

Dieses Vorgehen der „kriminellen Miliz und korrupten Gerichte“ gegen friedliche Frauen sei eine Schande, schreibt Femen-Chefin Anna Guzol (26) in ihrem Internet-Blog. Guzol, die in der Puschkin-Straße im Zentrum ein kleines Büro hat, trauert den Freiheiten hinterher, die die prowestliche Orangene Revolution von 2004 dem Land gebracht hatte. Auch international steht der prorussische Janukowitsch in der Kritik, die Demokratie zu zerstören. Femen will angesichts der chaotischen Jahre nach der friedlichen Revolution die „demonstrationsmüde“ Bevölkerung wieder wachrütteln – und das mit nackter Haut, sexy Dessous und Pumps. „Wir wissen, wie weit wir gehen dürfen und behalten stets unsere Höschen an, um nicht wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses festgenommen zu werden“, sagt Alexandra Schewtschenko in einem Zeitungsinterview. Die „Nippel“ seien stets mit Farbe bemalt. „Wir tun nichts Unmoralisches und nur das, was es in der Werbung längst gibt.“

Die 22-Jährige, die als Gesicht der Bewegung gilt, hat gerade erstmals zwei Tage in einem ukrainischen Gefängnis gesessen – wegen der Aktion gegen Berlusconi. Bei den aus westlicher Sichtweise ungewöhnlichen Protesten geht es immer auch um Frauenrechte, um den Kampf gegen Prostitution und männliche Bevormundung sowie häusliche Gewalt. Vor allem Studentinnen gehören zu den Aktivistinnen, die auch schon gegen den Mangel an öffentlichen Toiletten protestierten oder gegen ein Unterwäsche-Verbot auf Balkons in der Hauptstadt Kiew.

Femen-Chefin Guzol, die selbst nicht mehr nackt auftritt, rief ihre Aktivistinnen auf den Plan, als Janukowitsch unlängst westliche Investoren „auf frauenfeindliche Weise“ zu locken versucht habe. Wenn die Kastanien blühen, ließen die Ukrainerinnen ihre Hüllen fallen, zitierten Medien den Staatschef vom Weltwirtschaftsforum in Davos. „Die Ukraine ist kein Bordell“, schimpfen die Femen(istinnen), die heute etwa 300 Mitstreiterinnen zählen, von denen aber nur zwei Dutzend aktiv dabei sind.

Wer bei dem Internetauftritt von Femen auf die dort abgebildeten Brustwarzen klickt, kann zur Unterstützung der Bewegung Tassen, T-Shirts und Kalender einkaufen. Als Logo dienen zwei Kreise in Form stilisierter Brüste mit den ukrainischen Nationalfarben Gelb und Blau. „Ich bin kein dummes Püppchen, sondern ein denkender Mensch, der sein Land nicht sterben sehen kann“, sagt Schewtschenko in einem Interview der Zeitung „Moskowski Komsomolez“.

Klar, es gebe mitunter auch brüskierte Ablehnung konservativer Ukrainer gegen die „Oben-Ohne-Politik“. Aber Femen bleibe so im Gespräch, sagt Ina. Ziel der landesweit agierenden Bewegung sei eine Frauenquote sowie die Registrierung als politische Partei. Letzteres aber sei unter Janukowitsch schwerer geworden: Eine wie auch immer geartete Konkurrenz werde von den Machthabern in Kiew nach Moskauer Vorbild zunehmend unterdrückt. (dpa)