Aber die Caritas warnt: „Die Einrichtungen sind hochgradig verunsichert.“ SPD-Chef Gabriel beklagt Guttenbergs Eile bei der Wehrpflicht.

Berlin. Die großen Wohlfahrtsverbände bezweifeln, dass der neue Bundesfreiwilligendienst die Personallücken nach dem Wegfall des Zivildienstes stopfen kann. „Unsere Dienste und Einrichtungen sind hochgradig verunsichert“, sagte der Zivildienstexperte der Caritas, Michael Bergmann, der Nachrichtenagentur dapd. „Wir wissen nicht, wie viele sich melden, wenn die Dienstpflicht wegfällt.“ Auch der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Werner Hesse, ist verunsichert. „Wie groß das Interesse ist, lässt sich noch überhaupt nicht sagen.“

Am Donnerstag stand im Bundestag erstmals die Beratung über den Gesetzentwurf der Regierung zur Einführung des neuen Bundesfreiwilligendienstes zum 1. Juli auf dem Programm. Er soll pro Jahr rund 35.000 Männer und Frauen jeden Alters anlocken, die sich gesellschaftlich engagieren möchten. Der Bundesfreiwilligendienst ist als Ersatz für den 1961 eingeführten Zivildienst gedacht. Denn dieser wird gemeinsam mit der allgemeinen Wehrpflicht ausgesetzt. Zuletzt waren rund 90.000 Zivildienstleistende pro Jahr tätig.

Hesse äußerte Zweifel, dass die angestrebte Zahl von 35.000 Freiwilligen jährlich erreicht wird. Schließlich sei der Vorlauf „ja doch ein bisschen kurz“. Der Paritätische Wohlfahrtsverband habe 560.000 Beschäftigte, davon 10.000 Zivis. Das erscheine zwar im Verhältnis nicht so dramatisch. „Teilweise werden aber manche Begleitdienste entfallen müssen. Oder man versucht eben, doch mit Mini-Jobs und angelernten Menschen das eine oder andere Loch zu stopfen.“

Caritas-Experte Bergmann sagte im dapd-Gespräch, die von der Regierung geplante große Werbekampagne, die wohl erst im Mai starten kann, komme zu spät. „Die jungen Leute, für die ab dem Sommer ein Freiwilligendienst infrage kommt, machen sich natürlich jetzt schon Gedanken und Pläne.“

Andererseits gibt es aus Bergmanns Sicht auch Anlass zu vorsichtigem Optimismus, weil zuletzt für die bisherigen Angebote Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) immer viel mehr Bewerber als Plätze zur Verfügung standen. „Von da her sind wir erstmal hoffungsfroh. Denn es gibt eine Bereitschaft zum Engagement, auch in der jungen Bevölkerung.“ Zugleich warnte er: „Die gesellschaftlichen Auswirkungen des Wegfalls von Wehrpflicht und Zivildienst werden gravierender ausfallen, als es sich heute die meisten vorstellen.“ Es gebe für 90.000 junge Männer keine Gelegenheit mehr, Erfahrungen für sich und für ihre Persönlichkeitsentwicklung zu machen, die die meisten freiwillig nie sammeln würden.

Der neue, in der Regel einjährige Dienst steht Männern und Frauen offen und kann in sozialen und ökologischen Institutionen, aber auch in den Bereichen Sport, Integration und Kultur geleistet werden. Der Bund fördert die Freiwilligendienste künftig mit 350 Millionen Euro pro Jahr, davon kommen 50 Millionen Euro aus der bisherigen Förderung der Jugendfreiwilligendienste und 300 Millionen Euro aus dem Topf für den bisherigen Zivildienst.

Unterdessen hat SPD-Chef Sigmar Gabriel die Bundesregierung aufgefordert, die Aussetzung der Wehrpflicht zu verschieben. Die Reform komme schlecht vorbereitet und unter unnötigem Zeitdruck, sagte Gabriel bei der ersten Lesung des Wehrpflicht-Gesetzes im Bundestag. Es sei absehbar, dass zum 1. April nicht genügend Freiwillige für den Wehrdienst zu finden seien, weil die Rahmenbedingungen unklar seien. „Verschieben Sie die Reform so lange, bis Sie wissen, wie Sie das machen wollen“, rief er Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zu. Zunächst müssten die Voraussetzungen geschaffen werden. Doch Guttenberg sei im Blindflug unterwegs und zeichne sich nur durch den „unbedingten Willen zur Ankündigung“ aus.

Die Grünen unterstützen dagegen das Ende der Wehrpflicht. Doch komme die jetzt von der Bundesregierung geplante Aussetzung zehn Jahre zu spät, sagte Fraktionschef Jürgen Trittin. Denn an der Sicherheitslage Deutschlands habe sich seit dem Mauerfall wenig geändert. Zudem wäre es mutig gewesen, die Wehrpflicht ganz abzuschaffen, statt sie im Grundgesetz zu erhalten, meinte der Grünen-Politiker.

Er warf Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vor, die unpopuläre Botschaft zu verschweigen, dass die Bundeswehr künftig weltweit gegen globale Risiken eingesetzt werden solle. Dafür benötige man hoch qualifizierte und gut ausgerüstete Soldaten. „Das ist eine unpopuläre Botschaft, da kann man auch mal Mut beweisen“, rief er Guttenberg zu. „Die Frage ist doch, ob Sie dazu überhaupt noch in der Lage sind.“