In Ägypten sehnen viele den Machtwechsel herbei, in München wird über die Folgen beraten. Die Sicherheitskonferenz blickt gebannt auf Ägypten.

München. Der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) fordert angesichts der Aufstände in der arabischen Welt ein Umdenken im Umgang mit Despoten. Zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz erinnerte Guttenberg am Freitag an die Pflicht des Westens, rasch demokratische Reformen in Ägypten, Tunesien und anderen Ländern der Region zu unterstützen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte – gerade mit Blick auf die Umwälzungen im Nahen Osten und Nordafrika – trotz knapper Kassen ausreichend Geld für Verteidigung und Sicherheit auszugeben.

Die dramatischen Ereignisse in Ägypten, die zu einem Ende der fast 30-jährigen Herrschaft von Staatspräsident Husni Mubarak führen können, werden auch die dreitägige Konferenz stark beschäftigen. Bis Sonntag beraten 350 Vertreter aus 50 Staaten und wichtiger internationaler Organisationen zudem über die Auswirkungen der Finanzkrise auf Rüstungsetats, die Lage in Afghanistan und mögliche Bedrohungen durch die Cyberkriminalität. Es ist die 47. Sicherheitskonferenz.

Das Treffen ist zwar privat organisiert, die Konferenz gilt dennoch als wichtiges Forum der Weltpolitik. Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und mehreren Mitgliedern der Bundesregierung werden auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, US-Außenminister Hillary Clinton und der britische Premier David Cameron erwartet. Das Nahost-Quartett aus Vertretern der Europäischen Union, der Vereinten Nationen, der USA und Russlands kommt am Samstag zusammen. Am selben Tag werden Clinton und Russlands Außenminister Sergej Lawrow die Ratifikationsurkunden zum Start-Vertrag zur Verringerung weitreichender Atomwaffen austauschen.

Guttenberg appellierte, gegenüber Diktaturen künftig klar Stellung zu beziehen: „So begründet manche Gratwanderung in der Vergangenheit gewesen sein mag: Wir dürfen auf beiden Seiten des Atlantiks nicht den Eindruck erwecken, uns wären grundsätzlich in dieser Region autoritäre Regime oder Diktaturen lieber als Regierungen, die in freien Wahlen gewählt oder abgewählt werden können.“ Zum ersten Thema der Konferenz – Sicherheitspolitik in der Schuldenkrise – warnte Nato-Generalsekretär Rasmussen vor massiven Einsparungen bei der Rüstungsausgaben. Großen Einschnitten in den Etats europäischer Nato-Länder stünden verstärkte Militärausgaben in den USA, aber auch in den aufstrebenden asiatischen Mächten gegenüber. Während des vergangenen Jahrzehnts habe China den Verteidigungsetat verdreifacht. Indien habe die Militärausgaben um 60 Prozent gesteigert. Die USA könnten sich „nach anderen zuverlässigen Verteidigungspartnern“ umschauen, sänken die europäischen Militärausgaben weiter.

Rasmussen lobte die Bundeswehrreform. Sie sei ein Beispiel für „starke politische Führungskraft“, sagte er. Auch Guttenberg warb für ausreichende Investitionen in Sicherheit und Verteidigung. Die transatlantische Partnerschaft in der Nato dürfe nicht leiden, sagte er. „Die Allianz ist nur so stark, wie es ihre Mitglieder zulassen.“ Seine Pläne zum Umbau der Bundeswehr seien richtungsweisend. Guttenberg hält auch eine Bündelung der militärischen Aufgaben in Europa für einen Weg, mehr Sicherheit zu schaffen und trotzdem Geld zu sparen. Zum Thema Cyberwars wurde bekannt, dass die Bundesregierung noch im Februar über eine entsprechende Strategie beraten will. Entsprechende Vorschläge seien in der Abstimmung, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. So könnte ein „Cyber-Abwehrzentrum“ gebildet werden, das beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) angesiedelt werde.

Wird Guttenberg demontiert?

Bundeswehrverbandschef Ulrich Kirsch hat vor einer politischen Instrumentalisierung der Bundeswehraffären gewarnt. "Was nun an reflexartigen politischen Reaktionen in Deutschland zu verzeichnen ist, zielt nach meiner Einschätzung in erster Linie darauf ab, den Bundesminister der Verteidigung zu beschädigen", sagte Kirsch. Der politische Streit werde auf dem Rücken der Soldatinnen und Soldaten ausgetragen. "Ich kann nur davor warnen, die Soldatinnen und Soldaten als Vehikel für die Demontage des Ministers zu missbrauchen", sagte Kirsch.

Der Verbandschef äußerte in einzelnen Punkten aber auch selbst Kritik am Krisenmanagement Guttenbergs. Die Absetzung des "Gorch Fock"-Kommandanten Norbert Schatz wertete er als überstürzt. "Gerade in einer so komplexen Angelegenheit wie dieser muss der Grundsatz gelten: Sorgfalt vor Eile", sagte er. Es sei aber der Eindruck einer Vorverurteilung entstanden.

Nach dem Unfall mit zwei toten und vier verletzten Bundeswehrsoldaten auf dem Truppenübungsplatz Baumholder suchen Polizei und Staatsanwaltschaft mit Hochdruck nach der Ursache. "Wir ermitteln in alle Richtungen", sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach, Michael Brandt, gestern. Die Verletzten hätten noch nicht befragt werden können, weitere Zeugen gebe es nicht.

Am Montag war auf dem Übungsgelände ein Bundeswehrfahrzeug vom Typ Mungo verunglückt, das sechs Soldaten an Bord hatte. Zwei von ihnen starben, vier wurden verletzt. Einer von ihnen befindet sich im künstlichen Koma. Das Fahrzeug war am Montag auf dem Weg zu einem Ausbildungspunkt auf abschüssiger Strecke von der asphaltierten Fahrbahn abgekommen. Alle sechs Insassen seien aus dem Fahrzeug geschleudert worden. Das legt laut Brandt den Verdacht nahe, dass sie nicht angeschnallt waren. Das Fahrzeug sei mit Gurten ausgestattet gewesen. Laut eines Bundeswehrsprechers hätten die Gurte angelegt sein müssen.

Untersucht wird derzeit auch ein Vorfall in Afghanistan. Dabei soll am vergangenen Freitag ein Soldat einem anderem im Streit eine Pistole an den Kopf gehalten haben. Laut Bundeswehr werden alle disziplinarischen Maßnahmen bis hin zur unehrenhaften Entlassung des Soldaten geprüft.

(dpa/abendblatt.de)