Drei Euro mehr pro Monat für gutverdienende Arbeitnehmer. Solarförderung wird gekürzt. Die Opposition spricht von einer „Netto-Lüge“.

Berlin. Grünes Licht für eine Mini-Steuerentlastung der Arbeitnehmer, mehr Schutz vor Dioxin in Lebensmitteln und weniger Förderung der Solarenergie: Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Weg frei gemacht für eine Reihe von Vorhaben, die Bürgern und Unternehmen Vorteile bringen sollen. Allerdings gibt es auch heftige Kritik aus der Opposition und von Interessenverbänden – vor allem an der gekürzten Förderung für Fotovoltaikanlagen.

Das Kabinett billigte einen Gesetzentwurf, dessen Kern die Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrags um 80 Euro auf 1000 Euro im Jahr ist. Die Koalitionspartner aus Union und FDP hatten sich Mitte Januar nach längerem Streit darauf geeinigt, dass die Bürger schon für das Jahr 2011 von dieser Netto-Entlastung profitieren sollen, die sich auf maximal 36 Euro beläuft, 3 Euro pro Monat. Das betrifft aber nur Gutverdiener. Insgesamt kostet die Erhöhung des Pauschbetrages den Bund 330 Millionen Euro, die sich aber erst im kommenden Jahr im Haushalt niederschlagen.

Mit ihrem Vorhaben erntete die Regierung viel Kritik. Der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider spottete: „Nach mehreren Nachtsitzungen bleibt eine Entlastung um zirka drei Euro im Monat für einen überschaubaren Personenkreis.“ Die vermeintliche Entlastung sei eine „Nettolüge“. Durch steigende Sozialabgaben und andere Belastungen hätten die Menschen ein geringeres Netto vom Brutto. Auch die Grünen-Politikerin Christine Scheel sprach „von einer Entlastung, die keine ist“. Die Erhöhung der Pauschale schaffe nicht einmal einen Inflationsausgleich.

Auch der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine beurteilt die Anhebung kritisch. Dies sei nicht einmal ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, sagte Verbandsgeschäftsführer Erich Nöll der Nachrichtenagentur Reuters. Gemessen an den Gesamtkosten für den Staatshaushalt „kostet das viel, bringt aber nichts“. Allerdings seien im Gesamtpaket zur Steuervereinfachung „ein paar gute Ansätze“ enthalten.

Der Arbeitnehmerpauschbetrag soll Kosten abdecken, die dem Arbeitnehmer durch seine Berufsausübung entstehen. Das betrifft zum Beispiel Aufwendungen für berufsbedingte Kleidung und für die Fahrt zur Arbeit. Liegen die tatsächlichen Kosten höher als die Pauschale, müssen dem Fiskus Einzelbelege vorgelegt werden.

Außerdem sollen Eltern die Kosten der Kinderbetreuung einfacher geltend machen können, da es keinen Unterschied mehr macht, ob diese Kosten privat oder beruflich bedingt sind. Einkommensüberprüfungen bei volljährigen Kindern in Verbindung mit Kindergeld und Kinderfreibeträgen sollen entfallen. Bürger sollen zudem wählen können, ob sie ihre Einkommensteuererklärung nur noch alle zwei Jahre abgeben wollen. Darüber hinaus sollen mehrere Regelungen des Steuerrechts für Unternehmen vereinfacht werden.

Als Konsequenz aus dem Dioxin-Skandal werden schärfere Kontrollen von Futtermitteln ins Gesetz geschrieben. Dazu will Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) neue Maßnahmen in das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch schreiben. Verbraucherschützer von Foodwatch warfen Aigner vor, sie ergreife lediglich „Alibi-Maßnahmen nach dem Motto: Klingt gut, bringt aber wenig“. Nach der Gesetzesänderung wird in Deutschland ein Dioxin-Frühwarnsystem mit vierteljährlichen Lageberichten eingeführt.

Alle Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer werden verpflichtet, sämtliche Untersuchungsergebnisse von Dioxinen und ähnlichen Problemstoffen an die Behörden zu melden. Dort werden die Angaben geprüft. Bei Bedarf soll sofort eingeschritten werden. „Wir werden die Lebensmittelkette sicherer machen“, versprach Aigner. Die Ministerin will auf EU-Ebene unter anderem eine sogenannte Positivliste der Einzelfuttermittel schaffen, die in Mischfutter enthalten sein dürfen.

Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode forderte, die Futtermittelhersteller müssten gesetzlich verpflichtet werden, jede Lieferung jeder Futtermittelzutat auf Dioxin zu testen und bei Grenzwertüberschreitungen nachweislich zu entsorgen. „Reine Meldepflichten ohne eine Pflicht, überhaupt Dioxin-Tests durchzuführen, sind wirkungslos“, sagte Bode.

Die Solarförderung soll gekürzt werden. Demnach sollen die Fördersätze zum 1. Juli zwischen 3 und 15 Prozent sinken – je nachdem, wie sich der Markt entwickelt. Falls der Solarboom ungebrochen weitergeht und mehr als 3500 Megawatt in Betrieb genommen werden, soll die Unterstützung in fünf Schritten gesenkt werden.

Für Anlagen auf Freiflächen soll die Kürzung zum 1. September wirksam werden. Diese flexible Kürzung war ursprünglich für den Jahresbeginn 2012 geplant, zusätzlich zu der festen Senkung von neun Prozent. Dieser Schritt wird nun vorgezogen. Insgesamt sind in Deutschland derzeit Solarstromanlagen mit einer Leistung von rund 17.000 Megawatt installiert, mehr als 7000 Megawatt davon wurden im vergangenen Jahr in Betrieb genommen.