Jean-Claude Duvalier kehrte am Sonnabend überraschend nach Haiti zurück. Dort wurde er nun mehrere Stunden lang von Behörden vernommen. Gibt es nun einen Prozess gegen ihn?

Port au Prince. Seine Rückkehr aus dem französischen Exil kam völlig überraschend – nun steht der Ex-Diktator Jean-Claude Duvalier, genannt „Baby Doc“, im Fokus von Ermittlungen gegen ihn aufgenommen. Bereits am Dienstag vernahm ein Richter Duvalier über mehrere Stunden. Dem am Sonnabend nach fast 25-jährigem Exil in seine Heimat zurückgekehrten ehemaligen Staatschef werden Korruption und der Unterschlagung vorgeworfen, wie Duvaliers Anwalt erklärte. Der Richter müsse nun entscheiden, ob die Beweise für einen Prozess gegen Duvalier ausreichten, sagte sein Anwalt Gervais Charles. Duvalier war zuvor von der Polizei aus dem Hotel abgeführt worden, in dem er sich seit seiner Rückkehr am Sonntag aufgehalten hatte. Handschellen trug er nicht. Als der Exdiktator zum Gericht gefahren wurde, versuchten Dutzende seiner Anhänger die Straße mit umgeworfenen Mülleimern zu blockieren, außerdem schleuderten sie Steine. Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich mehrere Hundert Unterstützer des 59-Jährigen, setzten Reifen in Brand und forderten die Festnahme des derzeitigen Präsident René Préval. Später jubelten sie, als Duvalier das Gerichtsgebäude wieder verließ.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeigte sich zufrieden und sprach von einer Festnahme des Ex-Diktators. Diese sei jedoch nur ein erster Schritt, nun müssten eingehende Ermittlungen folgen. Nach Angaben des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (UNHCHR) könnte Duvalier wegen der brutalen Verbrechen belangt werden, die während seiner 15-jährigen Amtszeit verübt wurden. Es sei weitaus einfacher, Verbrechen in dem Land zu ahnden, in dem sie begangen wurden, sagte Sprecher Rupert Colville in Genf. Auch Amnesty International und Human Rights Watch forderten, Duvalier müsse wegen den von seiner Geheimpolizei, der Tonton Macout, verübten Gewalt zur Verantwortung gezogen werden. Ihr wird vorgeworfen, Oppositionelle gefoltert und ermordet haben. Duvalier soll sich zudem zugunsten seiner Familie an Haiti bereichert haben, bis er durch einen Volksaufstand aus seinem Amt vertrieben wurde.

Beobachter vermuten, dass Duvalier versuchen könnte, die Instabilität in Haiti rund ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben im Januar 2010 auszunutzen, um wieder an die Macht zu kommen. Viele fragten sich nach seiner Rückkehr am Sonntag, warum er nicht verhaftet wurde – nachdem Staatschef Rene Préval früher angekündigt hatte, ihn im Fall einer Rückkehr für Verbrechen am haitischen Volk zur Rechenschaft zu ziehen.

„Baby Doc“ war nach dem Tod seines Vaters, Francois „Papa Doc“ Duvalier, 1971 mit 19 Jahren an die Macht gekommen. Er hat immer noch Anhänger in Haiti, und Millionen Einwohner sind zu jung, um sich an das Leben unter seinem Diktat zu erinnern. Dennoch sind viele geschockt von seiner Rückkehr und fürchten, dass die extreme Spaltung und politisch motivierte Gewalt von früher wiederkehrt.

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Ex-Diktator "Baby Doc" in Haiti festgenommen

Der frühere haitianische Diktator Jean-Claude "Baby Doc" Duvalier ist nach seiner überraschenden Rückkehr nach Haiti festgenommen worden. Der 59-Jährige wurde aus dem Luxushotel "Karibe" in Port-au-Prince mit einer schweren Polizeieskorte weggebracht. "Baby Doc ist festgenommen", meldete der Sender Radio Metropole unter Berufung auf offizielle Stellen.

Vor dem Hotel hatten sich zahlreiche Anhänger und Gegner Duvaliers versammelt. Es kam zu tumultartigen Szenen. Eigentlich hatte Duvalier eine Pressekonferenz geplant, bei der er die Hintergründe seiner plötzlichen Rückkehr aus dem Exil in Frankreich erläutern wollte. Bei seiner Ankunft am Sonntagabend auf dem internationalen Flughafen von Port-au-Prince hatte er lediglich gesagt, er wolle sich in den Dienst des Landes stellen und den Menschen helfen.

Ob "Baby Doc" sich nun für die in seiner Herrschaftszeit von 1971 bis 1986 begangenen Menschenrechtsverstöße verantworten muss, ist offen. Auch über die Gründe der Festnahme verlautete zunächst nichts. Jean-Claude Duvalier hatte im April 1971 von seinem Vater François Duvalier, genannt "Papa Doc", ein Terrorregime in dem Karibikstaat übernommen und wurde 1986 entmachtet. Das Regime der Duvaliers wird für den Tod von mindestens 30 000 Menschen verantwortlich gemacht. Duvalier junior soll während seiner Amtszeit zudem Hunderte Millionen Dollar auf Privatkonten geschafft haben. Er lebte 25 Jahre im französischen Exil. Von ihm stammt das Zitat: "Es ist das Schicksal der Menschen von Haiti zu leiden."

Die haitianische Regierung hatte nach der Rückkehr des früheren Potentaten einen Prozess gegen ihn grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Duvalier sei wie jeder andere Bürger Haitis auch der Gerichtsbarkeit unterworfen, machte Ministerpräsident Jean-Max Bellerive deutlich. Es gebe juristische Verfahren in einer Geldangelegenheit, die den Staat Haiti und "Monsieur Duvalier" beträfen. "Es gibt internationale Prozesse und Prozesse in Haiti. Ich wiederhole, wir nehmen das nicht leicht." Menschenrechtsorganisationen hatten eine sofortige Festnahme Duvaliers gefordert.