Der mutmaßliche Todesschütze hatte wiederholt an Kundgebungen der US-Politkerin teilgenommen. Heute steht L. vor Gericht.

Tucson. Jared L., der mutmaßliche Todesschütze von Tucson im US-Bundesstaat Arizona, wird bereits am heutigen Montag vor den Kadi geladen. Nach dem Attentat auf die Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords beraumte ein Bundesgericht die erste Anhörung an. Bereits am Sonntag hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen L. in fünf Punkten erhoben. Der 22-Jährige muss sich wegen Mordversuchs an Giffords verantworten, außerdem wegen Tötung und versuchter Tötung von Bundesbediensteten. Der offenbar psychisch labile Mann wurde nach dem Blutbad vor einem Einkaufszentrum in Tucson am Sonnabend festgenommen, wo sechs Menschen getötet und 14 weitere verletzt wurden.

Pflichtverteidiger in Arizona forderten unterdessen, die ehemalige Anwältin des Attentäters von Oklahoma City, Timothy McVeigh, und des sogenannten Unabombers Ted Kaczynski mit der Verteidigung des Verdächtigen Jared L. zu beauftragen.

Aus Gerichtsunterlagen geht hervor, dass L. bereits in der Vergangenheit wiederholt Kontakt zur Kongressabgeordneten Giffords hatte, der am Sonnabend während eines Bürgertreffens aus kurzer Entfernung in den Kopf geschossen wurde. Ein Beweis dafür sei ein an L. adressiertes Schreiben, das auf offiziellem Briefpapier der Politikerin verfasst worden sei, hieß es. In dem Brief bedanke sich Giffords bei dem Verdächtigen für dessen Teilnahme an einer ihrer Kundgebungen in Tucson im Jahr 2007. Das Attentat am Sonnabernd ereignete sich bei einer ähnlichen Kundgebung.

Schulfreunden zufolge fragte L. die demokratische Politikerin bei der Veranstaltung vor drei Jahren „Was ist die Regierung, wenn Worte keine Bedeutung haben?“. Giffords habe darauf nicht viel zu sagen gewusst. L. habe sich furchtbar aufgeregt, sagte ein Freund der Nachrichtenagentur AP. Er habe immer großes Misstrauen gegen die Regierung gehegt und sie einer Art Verschwörung verdächtigt. So sei er davon überzeugt gewesen, dass die US-Regierung hinter den Anschlägen vom 11. September 2001 stehe und ein einheitliches Währungssystem für die ganze Welt plane.

Bei einer Durchsuchung des Hauses des Verdächtigen fanden die Ermittler zudem einen Brief in einem Safe, in dem Sätze wie „Ich habe voraus geplant“ und „Mein Attentat“ zu lesen gewesen seien. Neben dem Namen Giffords' habe in dem Brief die Unterschrift des Verdächtigen gestanden, erklärten die Ermittler. Die beim Blutbad vor dem Einkaufszentrum verwendete Waffe soll der 22-Jährige im November gekauft haben.

L. wohnt mit seinen Eltern nahe am Tatort, nur etwa fünf Minuten mit dem Auto von dem Einkaufszentrum entfernt. Nachbarn beschrieben ihn als Einzelgänger, Freunde gar als emotionalen Krüppel, der phasenweise stark trank und Marihuana rauchte. Einmal sei er beinahe an einer Alkoholvergiftung gestorben, sagte ein Freund. L. habe sich immer mehr zurückgezogen, über keinerlei soziale Intelligenz verfügt, dafür aber über akademisches Wissen. Im Unterricht habe er immer an den unpassendsten Stellen gelacht, besonders Mädchen hätten sich in seiner Gegenwart unwohl gefühlt. Von dem College, das er 2005 besuchte, war er suspendiert worden, nachdem er auf YouTube erklärte hatte, dass College sei verfassungswidrig. Einen Monat später meldete er sich freiwillig ab.

Unterdessen gingen die örtliche Behörden einer möglichen Verbindung des Verdächtigen zu der Online-Gruppe American Renaissance nach, die für ihre ausländerfeindliche Rhetorik bekannt sei, hieß es aus Ermittlerkreisen. American Renaissance gehört nach Angaben von SPLC, einer gemeinnützigen US-Organisation mit dem Ziel der Rassismusbekämpfung, zu der rechtsextremen New Century Foundation. Dessen Gründer Jared Taylor bestritt jedoch am Sonntag jegliche Verbindung zu dem mutmaßlichen Schützen. L. sei zu keinem Zeitpunkt Abonnent von American Renaissance gewesen oder habe an deren Veranstaltungen teilgenommen, schrieb Taylor auf der Website. „American Renaissance verurteilt Gewalt in schärfster Form.“

Ein zweiter Mann, der zusammen mit L. in der Nähe des Tatorts gesehen und von den Ermittlern als möglicher Komplize gesucht wurde, wurde von der Polizei am Sonntag entlastet. Es handele sich um einen Taxifahrer, der den 22-Jährigen gefahren und offenbar kein Geld dafür bekommen habe.

Unterdessen zeigten sich die Ärzte Giffords' optimistisch, dass die Politikerin überleben wird. Sie reagierte nach einer Operation auf die Ansprache der Ärzte und wurde später in ein künstliches Koma versetzt. US-Präsident Barack Obama rief für (den heutigen) Montag zu einer landesweiten Schweigeminute zu Ehren der Opfer des Anschlags in Arizona auf. Er ordnete zudem an, dass die Fahnen im Land auf halbmast gesetzt würden. Bereits am Sonntag hatten sich rund 200 Menschen vor Giffords Büro in Tucson zu einer Mahnwache versammelt.

US-Außenministerin Hillary Clinton forderte unterdessen mehr Toleranz und Offenheit in der Politik. Clinton sagte am Montag während eines Besuchs in den Vereinigten Arabischen Emiraten, gefährlicher Extremismus existiere in vielen Gesellschaften. Dabei verwies sie auf den Anschlag auf Giffords. Die Kongressabgeordnete sei eine „wundervolle, unglaublich tapfere junge Frau“, die von einem Extremisten niedergeschossen worden sei. „Wir sollten zusammenarbeiten, um Extremisten überall daran zu hindern, Gewaltverbrechen zu begehen“, sagte Clinton.