Machtahber Nursultan Nasarbajew will sich profilieren. Von den OSZE-Zielen Demokratie und Menschenrechte will Kasachstan nichts hören.

Astana. Für die Schulkinder in der kasachischen Hauptstadt Astana war der OSZE-Gipfel schon mal ein voller Erfolg. Ihnen bescherte das Treffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zwei Tage unterrichtsfrei. Geschlossen waren auch Büros, Behörden und Märkte. Zum Eintreffen der Delegationen aus den 56 OSZE-Staaten wurde das öffentliche Leben in der prunkvollen Retortenstadt Astana quasi lahmgelegt.

Ein Erfolg ist das zweitägige Treffen vor allem für Gastgeber Nursultan Nasarbajew. Er holte den OSZE-Gipfel – den ersten seit elf Jahren – nach Kasachstan und damit erstmals in ein asiatisches Land: Ein „Triumph“, wie Nasarbajew selbst zufrieden feststellte. Der 70-Jährige genoss es sichtlich, dass vor laufenden Kameras fast eine Stunde lang ein ausländischer Gast nach dem anderen – von US-Außenministerin Hillary Clinton bis zum russischen Präsidenten Dmitri Medwedew – mit ausgestreckten Händen zu ihm in den Palast der Unabhängigkeit eilte. Verkraften musste es der „Führer der Nation“, dass zahlreiche Länder trotz des Gipfelformats nur von ihren Außenministern vertreten wurden.

Dass ausgerechnet Kasachstan sich mit dem Vorsitz und der Gastgeberrolle einer Organisation schmücken darf, die sich die Verteidigung von Demokratie, Menschenrechten und Pressefreiheit auf die Fahnen geschrieben hat, halten viele für bittere Ironie. Die OSZE selbst erklärte noch nie eine Wahl in dem Land für demokratisch, Nasarbajew sicherte sich die Macht auf Lebenszeit, Opposition und Medien haben mit Repressalien zu kämpfen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte in ihrer Rede in Astana denn auch, Medienfreiheit und Rechtssicherheit müsse in allen OSZE-Staaten gewährleistet sein. Dennoch gehörte Deutschland zu den Staaten, die den OSZE-Vorsitz Kasachstans unterstützten. Merkel und ihre Partner setzten auf Besserung der innenpolitischen Lage im Scheinwerferlicht der internationalen Aufmerksamkeit.

In der von Eiswinden durchzogenen Großbaustelle Astana war der Gipfel aber auch eine Art Aufwärmübung für die OSZE selbst. Um die Organisation, deren Vorgängerin KSZE mit der Schlussakte von Helsinki ein spektakulärer Durchbruch im Kalten Krieg gelang, war es zuletzt still geworden.

Dass überhaupt erstmals seit 1999 wieder ein Gipfel einberufen wurde, war für Nasarbajew bereits das „Zeichen für die Wiedergeburt der OSZE“. Andere, wie Merkel, zeigten sich zurückhaltender: „Die OSZE hat noch einiges zu tun, damit wir wirklich zu einem kooperativen und inklusiven Sicherheitsforum werden“, mahnte sie. Wie mühsam der Fortschritt mitunter ist, zeigte sich unter anderem daran, dass für Merkel bereits die „Formalisierung“ von Gesprächen über die Konfliktregion Transnistrien ein Erfolg des Gipfels wäre. Zu Konferenzbeginn stand nicht einmal endgültig fest, ob es eine gemeinsame Abschlusserklärung des Gipfels geben würde.

Andere Mitgliedstaaten malten noch düstere Bilder: „Man muss es offen sagen: Die OSZE beginnt, ihr Potenzial zu verlieren“, warnte der russische Präsident Dmitri Medwedew. Derartige Töne aus Moskau sind in der OSZE allerdings nichts Neues. Russland wehrt sich traditionell gegen die angeblich zu große Einflussnahme der OSZE in Sachen Demokratie und Menschenrechte und fordert stattdessen die Konzentration auf eine neue europäische Sicherheitsarchitektur. Insbesondere der Georgien-Konflikt vor zwei Jahren hatte alte Gräben zwischen West und Ost wieder aufgerissen.

Trotz aller Rufe nach einer Wiederbelebung der OSZE zeigte sich in Astana aber auch, wie unterschiedlich die Visionen für die Zukunft sind. Während Nasarbajew der OSZE beispielsweise am liebsten weitere Aufgaben vom Umweltschutz bis zur Sicherung von Religionsfreiheit übertragen will, mahnten Merkel und andere, erst einmal die alten Konfliktfragen zu lösen.