Das Führungsduo zeigt Regierungswillen und sagt Schwarz-Gelb den Kampf an. Die Partei bestimmt außerdem ihre Politik zum Nahostkonflikt.

Freiburg. Neue Herausforderungen und alte Köpfe: Die Grünen haben auf einem Bundesparteitag in Freiburg ihre Führungsspitze neu aufgestellt und ihren Regierungswillen demonstriert. Die rund 700 Delegierten wählten die bisherigen Grünen-Chefs Claudia Roth und Cem Özdemir am Sonnabend für weitere zwei Jahre an die Parteispitze. Das alte und neue Führungsduo schwor die Partei auf ein intensives Wahljahr ein und sagte Schwarz-Gelb den Kampf an.

Nach engagierter und teils leidenschaftlicher Debatte hat die Partei außerdem die Grundzüge ihrer Nahostpolitik neu bestimmt. Am Sonnabendabend sprach sie sich für ein umfassendes Konzept hin zu einer Zwei-Staaten-Regelung für den Fortbestand Israels und die Schaffung eines demokratischen palästinensischen Staats aus.

Die Delegierten forderten mit großer Mehrheit per Beschluss, Deutschland und die EU sollten sich verstärkt für eine Aussöhnung der Palästinenserfraktionen Hamas und Fatah einsetzen. Auf Israel solle hin zu einer Aufhebung der Gaza-Blockade eingewirkt werden. Zur Lösung des Flüchtlingsproblems schlagen die Grünen einen Entschädigungsfonds für Flüchtlinge vor.

„Der Frieden im Nahen Osten muss Herzensangelegenheit grüner Politik sein“, mahnte Roth. Kritik müsse nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen islamistische Bestrebungen auf palästinensischer Seite geübt werden. Die deutsche Außenpolitik spiele in diesen Fragen derzeit faktisch keine Rolle, kritisierte sie.

Roth ist seit 2004 Grünen-Chefin und war schon zwischen 2001 und 2002 Parteivorsitzende. Bei ihrer Wiederwahl in Freiburg erhielt sie 79,3 Prozent der Stimmen. 2008 hatte sie noch 82,7 Prozent an Zustimmung eingefahren. Özdemir wurde mit 88,5 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Die Grünen hatten ihn vor zwei Jahren zum Parteichef gewählt, damals erreichte er 79,2 Prozent. Gegenkandidaten hatten Roth und Özdemir nicht.

Mehrfachkandidaturen gab es lediglich für die Beisitzerposten im Vorstand. Die Herausforderer konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Damit bleibt es bei der alten Besetzung des Gremiums. Bei dem mehrstündigen Abstimmungsmarathon wurden die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, Bundesschatzmeister Dietmar Strehl wiedergewählt sowie die Beisitzer, Astrid Rothe-Beinlich und Malte Spitz.

Auch der Parteirat, das 16-köpfige Spitzengremium der Grünen neben dem Bundesvorstand, wurde neu bestimmt. Der Großteil der bisherigen Mitglieder wurde für eine weitere Amtszeit gewählt, darunter die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer und der Ex-Sprecher der Grünen Jugend, Max Löffler, zogen neu in das Gremium ein.

Roth sagte mit Blick auf das kommende Wahljahr, die Grünen könnten erreichen, dass «auch die letzten weißen Flecken auf der grünen Landkarte» verschwinden. «Wir können es schaffen, dass 2011 das erfolgreichste Jahr in unserer Parteigeschichte wird», sagte sie. Bei der anstehenden Abgeordnetenhaus- und Landtagswahl in Berlin und Baden-Württemberg spiele ihre Partei «auf Sieg und nicht auf Platz».

Özdemir rief die Grünen auf, ihre gestiegenen Wahlchancen und Gestaltungsmöglichkeiten aktiv zu nutzen. «Wir haben das immer gewollt», betonte er. Der Partei dürfe wegen der guten Umfragewerte nicht Angst und Bange werden, sondern sie müsse «die Arme weit aufmachen».

Die Fraktionschefin im Bundestag und Berliner Spitzenkandidatin, Künast, wandte sich vehement gegen Vorwürfe der politischen Konkurrenz, ihre Partei habe keine klare Linie. Alle Einordnungen der Grünen als Wohlfühl- oder Dagegen-Partei seien abwegig. Den Atomausstieg durchzusetzen oder für die doppelte Staatsbürgerschaft zu kämpfen, sei sicher kein Spaziergang gewesen. Nun stehe die große Aufgabe an, Demokratie im 21. Jahrhundert zu entwickeln.

Der baden-württembergische Spitzenkandidat, Landtagsfraktionschef Winfried Kretschmann, kündigte an, wenn seine Partei in Regierungsverantwortung komme, wolle er das Parlament wieder stärken und die Zivilgesellschaft bei wichtigen Entscheidungen besser einbinden. Daran wolle er sich messen lassen.

Die Grünen stehen in Umfragen derzeit besonders gut da. In Berlin und Baden-Württemberg haben sie große Chancen, 2011 an die Macht zu kommen.

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SPD-Chef Sigmar Gabriel gratulierte Roth und Özdemir zwar zur Wiederwahl, sprach den Grünen aber zugleich die Fähigkeit ab, eine Regierung zu führen. «Die Wähler in Baden-Württemberg wollen am Ende keine Partei an der Spitze der Regierung, die immer nur Bahnhof versteht», sagte er.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt bezeichnete die Grünen als «Hauptgegner bürgerlicher Politik». In den vergangenen 30 Jahren habe sich die Partei wenig geändert. «Die Turnschuhe und Pullover sind getauscht worden gegen Anzug und Krawatte, aber drin stecken immer noch die gleichen Steinewerfer und Brandstifter wie damals», sagte er. Als Beleg nannte er den Widerstand der Grünen gegen die Castor-Transporte und «Stuttgart 21».

Trittin wies die Anschuldigungen zurück. Mit Blick auf Äußerungen aus der Union sagte er, Brandstifter seien diejenigen, die Arbeitsplatzängste im Land schürten, indem sie behaupteten, Zuwanderer nähmen den Deutschen Arbeitsplätze weg. Der SPD warf er vor, deren Bahn- und Verkehrspolitik sei «nicht nur in Stuttgart unterirdisch». Deshalb sei es gut, wenn Grüne die Regierung anführten und nicht Sozialdemokraten.

Der dreitägige Grünen-Parteitag geht am Sonntag zu Ende.