Sigmar Gabriel hat vor einer Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee gewarnt. „Die Bundeswehr ist eine echte Erfolgsgeschichte.“

Hamburg. Abendblatt: Herr Gabriel, Sie sind 1979 zur Bundeswehr eingezogen worden. Erinnern Sie sich noch, wie lange damals der Wehrdienst gedauert hat?

Sigmar Gabriel: Der Grundwehrdienst ging 15 Monate. Ich habe mich sogar zu zwei Jahren als Zeitsoldat verpflichtet.

Weil es so schön war?

Ehrlich gesagt, war es eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Ich bin nie Pazifist gewesen. Ich achte Pazifisten sehr, aber ich glaube, dass es Situationen gibt, in denen man Verbrecher, Aggressoren oder Terroristen auch mit Waffengewalt daran hindern muss, andere Menschen zu verfolgen, zu unterdrücken oder umzubringen. Gerade die deutsche Geschichte ist dafür ein Beispiel.

In welchem Dienstgrad sind Sie ausgeschieden?

Als anständiger Obergefreiter. Ich will die Zeit bei der Bundeswehr nicht missen. Zu lernen, wie man mit sieben Mann auf der Bude klarkommt...

... hilft bei einer Karriere in der SPD?

Manche sagen, eine Ausbildung im Umgang mit schwer Erziehbaren sei in der Politik ganz allgemein wichtiger. (lacht)

"DIE GRÖSSTE NETTO-LÜGE ALLER ZEITEN"

Schwarz-Gelb hat die Wehrpflicht auf sechs Monate verkürzt. Reicht das?

Die eigentliche Debatte ist, wie wir Wehrgerechtigkeit herstellen können. Aber zu Recht läuft die Bundeswehr gegen diese Verkürzung Sturm, weil eine seriöse Ausbildung in dieser Zeit kaum möglich ist.

Können Sie sich die Bundeswehr als Freiwilligenarmee vorstellen?

Ich bin kein Anhänger einer Abschaffung der Wehrpflicht. Die Bundeswehr ist auch deswegen eine demokratische Armee geworden, weil sie ihren Offiziers- und Unteroffiziersnachwuchs aus der Breite der Gesellschaft gewonnen hat. Richtig ist aber, dass wir die freiwilligen Elemente bei der Bundeswehr stärken müssen, weil die Bundeswehr hierdurch die qualifizierten Nachwuchskräfte bekommen wird, die sie benötigt.

Andere Zeiten könnten andere Organisationsformen erfordern.

Modern Times heißt nicht, dass man alle guten Erfahrungen über Bord schmeißen muss. Die Bundeswehr ist eine echte Erfolgsgeschichte.

Da spricht der Konservative in Ihnen.

Die Sozialdemokraten sind eine sehr wertkonservative Partei. Wir treten seit 147 Jahren für die gleichen Werte Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit ein. Wir sind aber nicht strukturkonservativ, sondern überzeugt davon, dass das Leben der Menschen offen und nicht an Einkommen, Herkunft, Rasse, Religion oder Geschlecht gebunden ist.