Der Altkanzler sieht einen „törichten“ Umgang mit Frankreich – und stellt Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank infrage.

Berlin. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hat der Bundesregierung einen Hang zur „wilhelminischen Großspurigkeit“ vorgeworfen. Die Art und Weise, wie sie in den letzten Monaten mit Frankreich umgegangen sei, bezeichnete Schmidt in einem Interview mit dem Magazin „Cicero“ als „töricht“. Umgekehrt sei es aber ebenso „töricht“, wie die französische Regierung Kanzlerin Angela Merkel behandelt habe. Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Merkel hätten ein übertriebenes Geltungsbedürfnis. Das sei der Hauptgrund, warum Paris und Berlin nicht zusammenfänden.

Schmidt kritisierte auch die völlige Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB). „Das Schlimmste ist, dass wir keine Instanz haben, die der Europäischen Zentralbank gegenübersteht. Das ist einmalig in der ganzen Weltgeschichte, dass eine Zentralbank völlig frei im Raume schwebt“, sagte er. „Die beiden bisherigen Chefs haben ihre Sache erstklassig gemacht, jedenfalls besser als die amerikanische Zentralbank und bessere als die japanische, wirklich gut“, räumte Schmidt ein. „Aber es handelt sich dennoch um eine Konstruktion, in der eine Zentralbank frei im Raume schwebt. Und das kann auf die Dauer nicht gut gehen.“ Die EZB müsste statt dessen auf eine politische Instanz Rücksicht nehmen, verlangte Schmidt. Den Versuch, mit dem Verbot von Leerverkäufen die Spekulation einzudämmen, hält Schmidt für eine Politik „zum Schieflachen“. Dann würden die Leerverkäufe eben auf den Bahamas oder in einem Vorort von London abgewickelt. Er hoffe, dass Merkel „weiß, dass es Unfug und wirkungslos ist“.

Schmidt bemängelte auch die Arbeit von Außenminister Guido Westerwelle (FDP). „Ich denke an diesen Außenminister. Minister zu sein, verlangt ja nicht bloß, dass man reden kann und hoffentlich überzeugend reden kann, sondern man muss außerdem noch verwalten können, und außerdem, drittens, soll man Charakter haben und einen gewissen moralischen Standard. Das ist eine ganze Menge“, sagte der frühere Kanzler. (apn/abendblatt.de)