Die EU braucht Entscheidungen, die die Finanzmärkte beruhigen. Nur welche? Kanzlerin Merkel will bei ihrer harten Linie bleiben.

Berlin/Brüssel. Unmittelbar vor dem EU-Krisengipfel in Brüssel lehnt Deutschland die Vergemeinschaftung von Schulden durch Euro-Bonds oder ähnliche Mittel weiterhin strikt ab. Die von EU-Präsident Herman Van Rompuy vorgelegte Diskussionsgrundlage für den Gipfel betone die Haftung der Mitgliedstaaten füreinander zu stark und vernachlässige die gegenseitige Kontrolle, hieß es am Donnerstag aus Regierungskreisen in Berlin.

Das zweitägige Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs aus den 27 EU-Staaten beginnt am Nachmittag. Erwartet wird, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dabei massiv unter Druck gerät. Zuvor war Merkel am Mittwochabend noch beim französischen Präsidenten François Hollande in Paris. Ergebnisse des Gesprächs wurden nicht bekannt.

An dem Papier Van Rompuys hatten auch EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker und der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, mitgearbeitet. Merkel hatte sich davon bereits am Mittwoch in einer Regierungserklärung distanziert.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) betonte, dass Deutschland bereits einen „gewaltigen“ Anteil an den Euro-Rettungsschirmen übernommen habe. „Deutschland ist zu Solidarität bereit. Aber auch die Schultern der Deutschen sind nicht unbegrenzt belastbar“, sagte er der italienischen Zeitung „La Repubblica“. Eine Vergemeinschaftung der Schulden wäre die „falsche Antwort“.

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (ebenfalls CDU) stärkte Merkel im Deutschlandfunk den Rücken. Die Kanzlerin habe als „stärkste Person in Europa“ eine hohe Autorität. „Dort, wo die Kanzlerin eine klare Grenze aufzeigt, wird man die respektieren.“ Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident ist in der EU-Kommission für das Energieressort zuständig.

Massive Kritik an Merkel kam aus der Opposition. Ihr ehemaliger Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) warf der Kanzlerin vor, mit dem bisherigen Krisenmanagement gescheitert zu sein. Die „ständigen Positionswechsel“ hätten die Bundesbürger, die europäischen Partner und auch die Märkte verunsichert, sagte Steinbrück der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag).

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte „Spiegel Online“: „Die Kanzlerin ist eine, die sich aus Angst vor dem, was ansteht, für den Machterhalt entscheidet – und nicht für das, was notwendig ist.“ Merkel werde ihre harte Linie „nicht durchhalten können“.

Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Georg Fahrenschon, lehnte eine europaweite Bankenunion erneut strikt ab. „Wir überdecken durch eine falsch verstandene Solidarität die notwendigen Änderungen“, sagte Fahrenschon im Deutschlandradio Kultur. Andere Länder dürften sich nicht an deutschen Spareinlagen bedienen dürfen.

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Nach einer Umfrage des Instituts YouGov sehen knapp zwei Drittel der Bundesbürger in der Euro-Krise die größte Gefahr für Deutschland. Dabei zeigt sich eine erhebliche Euro-Skepsis. Bei einem Volksentscheid über eine EU-Mitgliedschaft würden 51 Prozent für und 28 Prozent gegen einen Verbleib stimmen. Für eine Beibehaltung des Euro plädierten aber lediglich 43 Prozent, während immerhin 41 Prozent die D-Mark wiederhaben wollten.

Vor der Abstimmung in Bundestag und Bundesrat an diesem Freitag sind beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bereits fünf Klagen gegen den europäischen Fiskalpakt und den Euro-Rettungsschirm ESM angekündigt. Das sagte die Sprecherin des Gerichts.

(dpa/abendblatt.de)